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Grüner Streit über Demoaufruf

■ Ein Flugblatt–Text über die Situation der palästinensischen Flüchtlingslager sei „tendenziell antisemitisch“ Hamburger GAL schließt sich dem Aufruf an / Medico International ist empört

Bonn (taz) - Der Aufruf zu einer Demonstration für die Bewohner der palästinensischen Flüchtlingslager und das sofortige Ende „des Massakers am palästinensischen Volk“ hat innerhalb der Grünen Partei zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Umstritten sind die in einem Flugblatt ausgeführten Formulierungen über das Existenzrecht des Staates Isreal, das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volks, die Verantwortlichkeit Isreals für die Lage der Palästinenser sowie der angebliche Führungsanspruch der PLO für die Palästinenser. Kritisiert wurde vor allem der Satz: „Wir treten für das Selbstbestimmungsrecht des palästinensi schen Volkes ein; dies schließt das Recht eines eigenständigen Staates unter Führung der PLO in Palästina ein.“ Eine Formulierung, die „direkt das Existenzrecht Isreals bestreitet, weil es dieses Palästina nicht gibt“, erklärte einer der grünen Kritiker, Udo Knapp, die Ablehnung des Aufrufs. Unterschrieben haben bisher u.a. der grüne Bundesvorstand, die AL Berlin, der Bundeskongreß Entwicklungspolitischer Gruppen, Medico International und die Bonner PLO–Vertretung. Die Fraktion will dagegen einen eigenen Aufruf verabschieden. Jürgen Reents kritisierte im Auftrag des Hamburger Landesvorstands der GAL die Ablehnung des Aufrufes. Er räumte ein, daß der Satz „präziser“ formuliert sein könnte: „Man hätte sagen können, daß es um die Westbank und den Gazastreifen geht.., um das frei gewählte Zusammenleben von jüdischem und palästinensischem Volk zwischen Jordan und Sinai, um das Recht auf einen palästinensischen Staat an der Seite Isreals also.“ Doch es gehe um etwas anderes: Die Mehrheit der Bundestagsfraktion wolle „in Wahrheit eine Ausnahme vom Recht auf Selbstbestimmung“, weil sie Angst vor einer zu schroffen Kritik an der israelischen Politik habe. Eine Kritik, die gleich zurückgegeben wurde: Wer von einem „frei gewählten Zusammenleben von jüdischem und palästinensischen Volk“ rede, so Udo Knapp, argumentiere in der Tendenz „antisemitisch“: Dies sei „eine Fortsetzung der Bedrohung des jüdischen Volkes“, weil sich die Juden gegenüber den Palästinensern in der Minderheit befänden. Das rechtfertige allerdings nicht die imperalistische Politik der israelischen Regierung. Medico International schickte ein empörtes Telex: Es sei unerklärbar, warum „blutige Akte der israelischen Armee... unerwähnt bleiben sollten“. Schließlich gehe es gerade jetzt darum, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser „in ihrer angestammten Heimat zu betonen“.

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