Streit um freies Wochenende

■ Tarifauseinandersetzung um Arbeitszeitverkürzung / Barrieren für Samstagsarbeit sollen fallen Metallarbeitgeber legen Gegenforderungen vor / Gutachten: „soziale Bedeutung“ des freien Wochenendes

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Bei den Tarifverhandlungen in der Metallindustrie sind die Arbeitgeber Anfang dieser Woche in die Offensive gegangen. Wie schon im Tarifbezirk Nordrhein–Westfalen haben die Arbeitgeber am Dienstag auch im norddeutschen Tarifbezirk die gewerkschaftliche Forderung nach Arbeitszeitverkürzung mit Gegenforderungen beantwortet. Die Arbeitgeber fordern die Einführung flexibler Arbeitszeiten, die Beseitigung aller tariflichen Beschränkungen für Samstagsarbeit und eine Ausweitung der Mehrarbeit. Die IG Metall will dagegen neben der allgemeinen Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden die Mehrarbeit drastisch beschränken und das freie Wochenende erhalten. Der Hamburger IG Metall–Bezirksleiter Frank Teichmüller wertete die Verhandlungsführung der Arbeitgeber als „Provokation“, die „unausweichlich zu Arbeitskampfmaßnahmen“ führen werde. Das für Tarifpolitik zuständige Vorstandsmitglied der IG Metall, Klaus Zwickel, hat am Dienstag während einer Pressekonferenz in Frankfurt betont, die IG Metall wolle in der laufenden Tarifrunde auf jeden Fall am arbeitsfreien Wochenende festhalten. Es müsse tarifvertraglich festgelegt werden, daß die Regelarbeitszeit von Montag bis Freitag geleistet werde. Nach den Wünschen der Arbeitgeber solle der Tarifvertrag offenbar in Zukunft ein unverbindlicher Katalog über mögliche Betriebsvereinbarungen werden. Den Arbeitgebern ginge es darum, daß „unserer gesamten sozialen Zeitordnung das Rückgrat gebrochen“ werde. Die IG Metall legte auf der Pressekonferenz ein Gutachten des Münsteraner Sozialwissenschaftlers Jürgen P. Rinderspacher zur Bedeutung des freien Wochenendes für Arbeitnehmer vor. Danach hat das gemeinsam verbrachte Wochenende für viele Arbeitneh merfamilien eine wichtige Schutzfunktion vor externen zeitlichen Anforderungen. Der zusammenhängende Freizeitblock biete Raum für vielfältige soziale Kontakte, Veranstaltungen und „gemeinsame Lebenspraxis“. Das Wochenende in seiner jetzigen Gestalt sei zu einer „Institution“ geworden, das ein „Maximum an selbstbestimmter Zeitbindung“ durch die Arbeitnehmer zulasse und das der sozialen Vereinzelung entgegenwirke. Bei einer Ausweitung der Samstags– bzw. Wochenendarbeit sei mit einem Rückzug der davon betroffenen Arbeitnehmer aus dem öffentlichen Leben zu rechnen. Trotz dieser Erkenntnisse und entgegen der IG Metall–Position hat Tarifpolitiker Horst Mettke von der IG Chemie jetzt in einem Beitrag für die DGB–Monatszeitschrift Die Quelle Samstagsarbeit nicht generell abgelehnt. Arbeitszeitverkürzung sei vielfach nur über höhere Maschinenausnutzung finanzierbar. In diesem Zusammenhang könne eine „humane Schichtplangestaltung“ auch den Samstag einbeziehen.