Zählerkrach auch in Dortmund

■ Mehr als zwei Drittel der Beschäftigten will die Stadt Dortmund als Volkszähler zwangsverpflichten / Verweigerern und Personalrat wurden „disziplinarrechtliche Konsequenzen“ angedroht

Aus Dortmund Petra Bornhöft

Der Personalrat von fast 11.000 Beschäftigten bei der Stadtverwaltung Dortmund wendet sich entschieden gegen die geplante Zwangsverpflichtung von rund 4.000 Mitarbeitern als Zähler bei der Volkszählung. Vor Journalisten forderten gestern die Arbeitnehmervertreter die Stadt auf, das „Prinzip der absoluten Freiwilligkeit anzuwenden und die angekündigten Sanktionen gegen Verweigerer zurückzunehmen“. Bisher haben sich nur knapp 400 Bedienstete freiwillig gemeldet. Deshalb beabsichtigt der Oberstadtdirektor Harald Heinze, die zehnfache Zahl Helfer aus allen Behörden zu rekrutieren. „Massive Einschränkungen der Dienstleistungen für die Bürger“ befürchtet der Personalrat, wenn im Mai drei Wochen lang Tausende Beamte und Angestellte nicht erreichbar seien. Gewissenskonflikte und Interessenkollisionen hätten insbesondere Mitarbeiter aus dem Jugend–, Sozial–, und Einwohnermeldeamt, Steuerkasse oder der Ausländerbehörde auszutragen. „Sozialhilfe für Omi“ „Es ist unsinnig, zu glauben“, so Personalrätin Heiderose Wagner, „daß diese Kollegen nicht ihre Zähler–Erkenntnisse in die normale Arbeit einfließen lassen.“ Das sei „nicht negativ zu bewerten“, entgegnete ein Sprecher der Stadt, schließlich könne „einer Omi auf diese Weise zur Sozialhilfe verholfen werden“. Einzelne Mitglieder des Personalrates - der sich gestern ausdrücklich nicht über den Sinn der Volkszählung äußern wollte - hatten in der vergangenen Woche die Beschäftigten zu einer Zählerversammlung aufgerufen. Das verteilte Flugblatt mit Argumenten gegen die Volkszählung und rechtlichen Hinweisen für Zähler wertete Personaldezernent Erich Rüttel nun als „Aufruf zum Gesetzesbruch“ und kündigte den Unterzeichnern eine „Anhörung wegen Verletzung der Treuepflicht“ an. Dieser Schritt ist rechtlich genauso umstritten wie die Androhung von Sanktionen gegen Bedienstete, die nicht zählen wollen. Obgleich auch Innenminister Herbert Schnoor in einer WDR– Fernsehdiskussion am Mittwoch darauf hinwies, daß in Nordrhein– Westfalen die Ablehnung eines Ehrenamtes seit 1984 nicht mehr geahndet werde, droht Dortmunder Verweigerern das Ende der Karriere. Oberstadtdirektor Heinze hat sich schriftlich „disziplinarrechtliche Vorermittlungen und arbeitsrechtliche Konsequenzen“ vorbehalten. Offiziell darf der Verwaltungschef die Namen von Boykotteuren nicht erfahren, auch nicht von Personaldezernent Rütt, den Heinze zum Leiter der Erhebungsstelle berief. Auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz bekräftigte die Stadtverwaltung ihre Positionen.