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Hochfliegende Pläne von Dornier in Bayern

■ Der Werksflughafen in Oberpfaffenhofen soll um das Vierfache vergrößert werden / Regierung von Oberbayern schiebt einen vorläufigen Riegel vor / Inzwischen wurden Unterschriften gesammelt und eine Bürgerinitiative gegründet / Grüne befürchten Rüstungszentrum

Aus Weßling Luitgard Koch

Die Ampel auf der Staatsstraße 2349 zwischen Unterbrunn und Oberpfaffenhofen zeigt Rot. Eigentlich nichts Besonderes. Doch an dieser Stelle, rund 15 Kilometer südlich von München, heißt das: Vorfahrt für Flugzeuge. Auf dem Sonderflughafen der Firma Dornier in Oberpfaffenhofen startet oder landet in diesem Moment eines der dort gewarteten Flugzeuge. Bis 1989 erteilte das bayerische Wirtschaftsministerium diese Sondergenehmigung an die staatlich subventionierte Firmengruppe, die seit 1985 mehrheitlich zum Daimler–Benz–Konzern gehört. Im Münchener Raum werden in Neuaubing, Oberpfaffenhofen und in der Außenstelle Germering hauptsächlich Flugzeugbau, -wartung sowie Logistik, Luftfahrtausbildung und Training betrieben. Jet vor dem Fenster Von ihrem Fenster aus kann die 44jährige Hausfrau Jutta Kaiser aus Weßling die „kampfwertsteigernden“ Alpha–Jets beim Starten und Landen beobachten. „Den Lärmschutzwall hätten sie bestimmt nicht gebaut, wenn wir damals keinen Wirbel gemacht hätten“, erzählt sie. Mit der Gründung einer Lärmschutzinitiative und Petitionen an den Landtag wehrten sich die betroffenen Bürger aus den Gemeinden Weßling, Gilching und Gauting gegen den Fluglärm. Und schon damals befürchtete man: „Es kommen noch Projekte nach.“ Das hat sich nun bestätigt. Bis zum Jahr 2000 will die Firma ihre Produktionsstätten um das Vierfache erweitern, statt 95.000 Quadratmeter sollen dann 350.000 Quadratmeter bebaut sein. Im August vergangenen Jahres luden die Herren von Dornier die Gemeinden zu einer ersten Informationsveranstaltung über die Expansionsbestrebungen ein, mit der strikten Auflage, nichts an die Presse weiterzugeben. „Der neue Mehrheitsgesellschafter hat den Vorstand der Dornier GmbH beauftragt, für alle Dornier Gesellschaften eine langfristige Unternehmungsplanung mit einem Planungshorizont von ca. 25 Jahren auszuarbeiten. Ein Schwerpunkt dieser Planung ist die Abschätzung räumlicher Erweiterungsmöglichkeiten an den einzelnen Standorten und daraus resultierende Konsequenzen“, so das „Dornier–Papier“. Für den Standort Oberpfaffenhofen war danach ein Ausbau in drei Stufen geplant. Die erste Konsequenz aus der gegenwärtigen Wachstumsphase der Dornier Gruppe: der Bau einer Montagehalle in den Maßen 160 x 60 x 12,50 Meter und ein Ausbildungszentrum für Lehrlinge bis 1989. Damit verbunden eine neue S–Bahn–Haltestelle und eine eigene Autobahnanbindung. Hallen–Monstrum Vor allem die Gemeinde Gilching ist von diesem ersten Ausbauschritt betroffen. „Die 160 Meter lange Halle is scho a ziemliches Monstrum“, räumt dann auch der Gilchinger Bürgermeister Heinrich Will (CSU) ein. Obwohl der 51jährige erklärt, die Wachstumseuphorie der 60er Jahre sei längst vorbei, hat der Gilchinger Gemeinderat vor knapp einer Woche diese erste Ausbaustufe bereits abgesegnet. Protest meldete nur der grüne Gemeinderat Peter Unger an. Er forderte ein Lärmschutzgutachten und vorheriges Raumordnungsverfahren. „Die Entscheidung ist nicht bindend und heißt nicht, daß wir die zweite Ausbaustufe vollziehen wollen“, glaubt Bürgermeister Will. Ein Einspruchsrecht sei immer noch möglich, falls der Eingriff in die Infrastruktur zu gravierend sei. Nach dem Motto Die Gilchinger haben bereits einen Bebaungsplan aufgestellt und jetzt sind wir dran gab es im Weßlinger Gemeinderat kaum eine ernsthafte Diskussion zu dem Thema. Daß das Landratsamt Starnberg bereits die von Dornier beantragte Einzelbaugenehmigung für die Montagehalle verweigert hatte und ein Strukturkonzept forderte, wurde erst danach bekannt. „Es ist schon bemerkenswert, daß jetzt auch die Regierung von Oberbayern ein Raumordnungsverfahren verlangt“, stellt der Weßlinger Rudi Burger vom Bund Naturschutz befriedigt fest. Lärmgutachten notwendig Doch für Burger, der auch das angrenzende Trinkwasserschutzgebiet gefährdet sieht, reicht das nicht aus. Ein Lärmschutzgutachten sei notwendig. Nicht nur er zweifelt die Aussage von Firmensprecher Rolf Christ an, der immer wieder versichert: „Eine Ausweitung des Flugbetriebs ist nicht geplant.“ Sogar die CSU– Gemeinderäte in Gauting, das ebenfalls von den Ausbauplänen betroffen ist, haben da ihre Bedenken. Ihre Sorge: daß ihr Gelände neben Dornier aufgrund der Lärmbelästigung nicht als Gewerbegebiet ausgewiesen werden kann. Schließlich wird von 60 Werksflügen pro Tag gesprochen (bisher 88 Flüge pro Jahr). Dazu kommt das Unternehmensziel, alle mit der Ausstattung, Endmontage und Wartung „verbundenen Flugaktivitäten durchzuführen“. Erleichtert zeigt sich deshalb auch Gautings Bürgermeister Eckehard Knobloch über den Einspruch des Landratamtes. „Erst wenn die notwendigen Strukturuntersuchungen da sind, wird sich der Gemeinderat damit befassen.“ Skeptisch dagegen ist die SPD– Gemeinderätin Dagmar Scholz. „Das Fatale ist, daß man mit der Aufstellung des Bebauungsplanes letztlich schon grünes Licht für weitere Planungen gegeben hat.“ Bereits bei der Bannwaldausweisung wurde Rücksicht auf das Unternehmen genommen. Ebenso wie Diplom–Ingineur Rudi Burger zweifelt die SPDlerin daran, daß die massiven Ausbaupläne mit dem Regionalplan, der das beliebte Ausflugsziel „Fünf–Seen– Land“ mit Ammersee, Pilsensee und Wörthsee „schonen“ will, vereinbar sind. Hinzu kommt noch ihre Befürchtung, daß „dereinst der NATO–Jäger 90 von der Piste aufsteigt“. Der Vorwurf, Dornier plane in Oberpfaffenhofen „das größte Rüstungszentrum im süddeutschen Raum“ kommt auch von den grünen Gemeinderäten des Landkreis. Der Rüstungsanteil bei Dornier am Gesamtumsatz liegt derzeit um die 50 Prozent. In der Hauszeitung von Dornier wird bereits erwähnt, daß auf dem Gelände der Luftangriffsjäger LA–2000 gebaut werden soll, startbereit im Jahr 2000. In Zusammenarbeit mit MBB und MTU beteiligt sich Dornier ab Mitte der 90er Jahre am Bau des NATO–Kampfflugzeugs Jäger 90, von dem für die NATO–Staaten BRD, Großbritannien, Spanien und Italien 800 Stück produziert werden. Dieses Programm wird das größte europäische Rüstungsprogramm für die nächsten 30 Jahre werden. Mit der Feststellung, die erste der drei Ausbaustufen „diene zu 100 Prozent zivilen Projekten wie der Do 228 und dem Airbus“, versucht Firmensprecher Christ die Gemüter zu beruhigen. Am Airbus–Gesamtprogramm ist die Firma mit 4,5 Prozent beteiligt. Planungsstopp gefordert Für den Ankauf von zusätzlichen Grundstücken zur Erweiterung muß Dornier in Oberpfaffenhofen auf jeden Fall kein Geld ausgeben. Mit der Domino–Taktik hat man seit der Gründung in den 30er Jahren alle notwendigen Grundstücke aufgekauft. Eine BI gegen den Dornierausbau formiert sich gerade. „Wir wollen vor allem erst mal informieren, und natürlich sind dann auch gewaltfreie Aktionen angesagt“, meint der 21jährige Gautinger Zivildienstleistende Alexander Werner. Inzwischen läuft in Gilching und Gauting eine Unterschriftensammlung zur Einberufung einer außerordentlichen Bürgerversammlung. Die bayerischen Grünen haben im Landtag bereits einen Antrag auf Planungsstopp bis zur Erstellung eines Raumordnungsverfahrens gestellt, und der grüne Ortsverband Gilching hat eine Eingabe an den Bundestag gemacht. Doch der Ausbau von Dornier ist nicht alles, was dem Landkreis Starnberg an „High–Tech“ bevorsteht. Auf dem Nachbargelände von Dornier, Besitzer die Deutsche Gesellschaft für Luft– und Raumfahrtforschung (DFVLR), steht das Projekt „Europäischer Weltraumbahnhof“ im Raum.

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