Chinas KP wendet „Liberalismus“

■ Vergessene Helden der Kulturrevolution werden hervorgekramt / Bewährtes aus den sechziger Jahren

Guangzhou (taz) -“Lernt von Lei Feng“ und „Lei Feng ist auch in den 80er Jahren wichtig“ sind die Kernsätze einer Kampagne zur Disziplinierung der chinesichen Jugend, die Mitte letzter Woche in den Medien der VR China gestartet wurde. Der Gelobte war bereits in den 60er Jahren als Vorbild für sozialistische Moral und Idealismus angepriesen worden, nach seinem Tod bei einem angeblichen Verkehrsunfall wurden seine Tagebücher gar landesweit als Notizen eines Mustersoldaten veröffentlicht. Wie die chinesischsprachigen Medien jetzt in Peking berichteten, haben sich Anfang dieser Woche mehr als 50 Vertreter aus dem Zentralkommittee, der Propagandaabteilung der Partei und der politischen Abteilung der Volksbefreiungsarmee zu einer Lei Feng– Diskussionsrunde getroffen. Ihr Ergebnis:“Wer ein wirklicher Kommunist sein will, muß von Lei Feng lernen“. Die Partei versucht offenbar, mit der neuen Kampagne die Unzufriedenheit unter der Jugend ideologisch aufzufangen. Als Teilnehmer an der Konferenz zum Studium der Geschichte Lei Fengs wurden im einzelnen genannt: der 75–jährige Hu Qiaomu, ein strenger Verfechter staatlicher Wirtschaftsplanung, der den konservativen in der KP zugerechnet wird. Ferner Wang Zhaogu und Hu Quili, beide Aufsteiger in der Partei unter Deng Xiao Ping, die schon als Anwärter für höchste Ämter gehandelt wurden. Hu Wuili hatte Chinas Intellektuellen Anfang 86 noch mehr Freiheit bei ihrer Arbeit versprochen. Als die liberale Politik unter Beschuß geriet, war es still um ihn geworden. Zeitgleich mit dem Start der Kampagne für ein neues Studium des Lebens von Lei Feng, die als Teil der Bewegung gegen den sogenannten „bourgeoisen Liberalismus“ gilt, wurden Mitte letzter Woche in den Zeitungen seitenlange Abhandlungen abgedruckt unter dem Titel:“Warum China nicht den kapitalistischen Weg gehen kann“. Obschon die Regierung beteuert, die Kampagne wende sich nicht gegen die Westöffnung Chinas, wird damit deutlich, daß sich in der Volksrepublik eine bedeutende politische Wende vollzieht. Im traditionell liberalen Ghouangzhou nimmt die Bevölkerung die Reaktivierung von Ideen aus den Vortagen der Kulturrevolution mit gemischten Gefühlen auf. Viele sehen der Entwicklung mit Enttäuschung oder Ablehnung entgegen. Eine alte Frau meinte gar: „Solche Ideen passen nicht mehr in das China von heute. Jeder denkt doch nur an sich selbst und wie er am besten Geld machen kann.“ Jürgen Kremb