: Die ökonomische Eroberung des Alls
■ 200 Wirtschaftsstudenten organisierten mit Unterstützung namhafter Sponsoren aus Politik und Wirtschaft in Köln einen Kongreß zum Thema „Weltraum als Markt - Die zivile Nutzung des Weltalls“
Hochkarätig war die Liste der eingeladenen Referenten und Gastredner: von Außenminister Genscher über NASA–Manager Puttkamer bis hin zu den Spitzen der Industrie. Und alle waren sie begeister vom Engagement, Zukunftsoptimismus und der Artigkeit der Studenten, die diesen Kongreß organisiert hatten. Zwei Jahre haben die kaum über 25jährigen Studenten an der Vorbereitung dieser Veranstalltung am 10. und 11. März gearbeitet, um darüber zu diskutieren, wie die Wirtschaft für das „Abenteuer Raumfahrt“ ewonnen werden kann. Die repräsentiert sich nach außen durchaus wohlwollend, intern jedoch ist Zurückhaltung zu spüren: Niemand will der Auftraggeber für die Milliardenprojekte sein.
Die studentischen Teilnehmer am 1. Deutschen Wirtschaftskongress in Köln waren mit Abstand die euphorischsten, was die zukünftigen Möglichkeiten der Weltraumnutzung betrifft. Vom „grandiosen Gefühl der Schwerelosigkeit“ etwa schwärmen die beiden studentischen Referenten in einem Workshop über den „Weltraum als Freizeitparadies“. Sie halten es durchaus für machbar und wünschenswert, einen Abenteuerurlaub in die nächste Raumstation zu machen, um einmal „unbeschwert“ genießen zu können. Genscher sieht Märkte für die Raumfahrt Einwendungen eines erfahrenen Raumfahrtexperten, daß die Frage der Freizeitgestaltung in den engen und langweiligen Raumkapseln bisher eher ein Problem für die Astronauten war, konnten die Aufbruchstimmung der Studenten kaum bremsen. Der Kongress in der Kölner Universität, der 400 Studenten und 400 prominente Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammengeführt hatte, stand ganz im Zeichen einer gemeinsamen Suche nach denen, die das Abenteuer Raumfahrt in Zukunft bezahlen sollen. ESA–Direktor Reimar Lüst fordert die Ausweitung der staatlichen Mittel für die Raumfahrt, NASA–Programmdirektor von Puttkamer kritisiert, daß Europa sich nicht seinem Bruttosozialprodukt entsprechend engagiert. „Die Raumfahrttechnik hat längst begonnen, eigene kommerzielle Anwendungen und Märkte zu erschließen“, orakelte auch Bundesaußenminister Genscher. Aber wo? Kein Zweifel, an den staatlichen Aufträgen an Raketen, Raumgleiter oder Instrumentenbau hat die europäische und amerikanische Industrie in den vergan genen Jahrzehnten Milliardensummen verdient. Aber der Staat kann nicht endlos weiterzahlen. Wo sind die kommerziellen Auftraggeber? Wo sind die Firmen, die bereit sind, in den 90er Jahren ein Raummodul zu mieten, um darin privatwirtschaftliche Entwicklungsarbeiten oder gar Produktionen durchführen zu lassen? Industrie–Vertreter sind skeptisch An Ermunterungen fehlte es auf dem Kongreß wahrhaftig nicht. Dr. Kleber von der Deutschen Forschungs– und Versuchsanstalt für Luft– und Raumfahrttechnik (DFVLR) pries in einer Arbeitsgruppe die Vorteile der Schwerelosigkeit: Hochreines Silizium, Legierungen bzw. Schmelzen, die unter dem Einfluß des irdischen Schwerefeldes gar nicht möglich wären. Prof. Kröll, Vorsitzender der DFVLR, fordert die Industrie auf, ihre Chance zu nutzen und in den Weltraum zu investieren. Die Industrievertreter dagegen reagierten zurückhaltend. Die deutsche Industrie könne nicht permanent auf allen Märkten zur Weltspitze zählen, schränkte BDI–Präsident Necker ein. Die Halbleiterproduktion für Computerchips im Weltraum hielt Siemens–Vorstandsmitglied Franz für „sehr unwahrscheinlich“ und ein Manager von Hoechst fragte in einer der Diskussionsrunden ganz unverblümt: „Können Sie mir sagen, warum sich die chemische Industrie eigentlich in der Raumfahrt engagieren soll?“ Eine Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Kongresses z.B. „Mein Unternehmen, geeignet zur Weltraumproduktion?“ oder „Wie können wir staatlich geförderte Forschungsergebnisse nutzbar machen?“, sollten hier Motivationshilfe geben. Dennoch, in den Referaten der Vertreter einzelner Branchen wurde lediglich immer wieder die große Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, Weltraumaufträge zu übernehmen, angepriesen. An den Angeboten von Produkten und Dienstleistungen für die Raumfahrt beteiligten sich auch hochrangige Vertreter aus der Sowjetunion und China, das der NASA und ESA inzwischen das Trägerraketengeschäft mit Dumpingpreisen streitig macht. Handel mit ungedeckten Wechseln Die zukünftigen Auftraggeber für die angeblich winkenden Milliardengeschäfte aber blieben weiter verborgen. Ein Diskussionsteilnehmer vermutete: „Ist die Weltraumtechnik nicht die berühmte Antwort, die nach einer Frage sucht?“ So entpuppte sich die nach außen zur Schau getragene Einmütigkeit von Wirtschaft und Wissenschaft, daß der Aufbruch in den Weltraum sinnfällig, unausweichlich und zum Greifen nahe sei, bei näherem Hinsehen als ein gegenseitiger Handel mit ungedeckten Schecks. Einige Industrievertreter scheinen den großen „Bankenkrach“ in Sachen Weltraum–Projekt–Finanzierung schon vor sich zu sehen. „Das sind doch politisch motivierte Milliarden–Entscheidungen für die Weltraumproduktion, die eigentlich nur den Markt verfälschen“, kritisiert ein Betriebswirt. Vielen Industrievertretern wären staatliche Subventionen in Marktbereichen lieber, die schneller Rendite abwerfen. Wenn die Wirtschaftsvertreter nach außen demonstrativ in den Lobgesang um die Weltraum–Industrialisierung einstimmen, dann, weil das Geschäft mit der Hoffnung auf das Weltraumgeschäft mindestens ebenso lukrativ ist, wie die utopischen Weltraumgeschäfte selbst. Imma Harms
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