Beratung mit Abschreckungscharakter

Bei Pro Familia schlugen die Wellen hoch gegen das geplante Beratungsgesetz zum § 218. Bei den rund 1.000 niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen, die im bislang geltenden Rahmen des § 218 beraten, herrscht offiziell Stillschweigen. Doch in Berlin beispielsweise gärt es schon. Besonderen Unmut rufen die anvisierten „Fortbildungsmaßnahmen zum Schutz der ungeborenen Kinder“ hervor. Ärzte zu ideologischen Schulungen zu ver donnern sei ein bislang einmaliger Vorgang, empört sich die Berliner Ärztin Ayse Linder und keineswegs vergleichbar mit anderen ärztlichen Fortbildungen, zum Beispiel im Bereich der Strahlen– oder Arbeitsmedizin. Eine von vielen Befürchtungen ist, daß die geplanten Kurse z.B. ausführlich über das Adoptionsrecht informieren, damit Frauen diese „Lösung“ besser nahegebracht werden kann. Zu den „Fortbildungsmaßnah men“ sollen nicht nur die beratenden, sondern auch die indikationenstellenden Ärzte gezwungen werden. Dazu sind nach der Reform § 218 alle Ärzte ohne Einschränkung berechtigt. Der Zwang zum Weltanschauungsunterricht a la CSU wird mit Sicherheit Abschreckungseffekt haben: Weniger Ärzte sollen Frauen eine soziale Indikation ausstellen. Umso wichtiger sei es jetzt, dieser Tendenz entgegenzuwirken, betont Rieke Alten, Vizepräsidentin der seit kurzem fortschrittlich geleiteten Berliner Ärztekammer. Sie plädiert für eine „offensive Vorgehensweise“: Die Ärztekammer würde in Berlin die Ausgestaltung der Kurse übernehmen, um sie „mit den richtigen Leuten und den richtigen Inhalten“ zu füllen, d.h. einem Beratungskonzept, das sich an den Bedürfnissen der Frauen orientiere und keine „vatikanartigen Lehren“ verbreite. Mit der Vorschrift, die Meldepflicht ans statistische Bundesamt mit der Abrechnung über die Krankenkassen zu verbinden, hält für sie die „Kontrollmentalität“ Einzug. Auf die einschneidende Konsequenz, daß Ärzte Abtreibungen verstärkt privat abrechnen würden, machte der Bundesvorstand von Pro Familia aufmerksam. Bislang wurden anonymisierte Zählblätter verteilt, bei denen praktisch nicht überprüft wurde, ob sie „wahrheitsgemäß“ ausgefüllt sind. Wenn jetzt jedesmal ein Durchschlag des Zählblatts an die Krankenkassen und die kassenärztliche Vereinigung gelangt, wird der Name des Artzes und der „Patientin“ bekannt. Um diese Registrierung und mögliche Repressalien zu umgehen, könnten Ärzte künftig verlangen, daß die Frauen den Abbruch aus eigener Tasche bezahlen. Einen „Rückfall in die Eiszeit“ nennen Berliner ProFa–Mitarbeiterinnen das Maßnahmenbündel insgesamt. Hart trifft sie, daß die staatliche Anerkennung nur die Beratungsstellen erhalten sollen, die finanzielle Hilfen vermitteln und gewähren. Konfessionelle Einrichtungen mit eigenen Geldmitteln, wie die katholische Caritas, werden dabei bevorzugt. Mit einer solchen Politik befriedige Rita Süssmuth ihre Hausmacht - die katholischen Frauenverbände. Pro Familia dagegen weigerte sich bislang erfolgreich, sich z.B. an der Geldvergabe durch die Stiftung „Mutter und Kind“ zu beteiligen. Immer wieder wird bei Ärztinnen oder ProFa–Frauen die Enttäuschung über die „Frauenministerin“ laut und zugleich doch noch gehofft, das Gesetz könne von couragierten CDU– oder FDP–Frauen verhindert werden. Der Druck und der Widerstand einer breiten Frauen–Öffentlichkeit beginnt sich zu formieren. Helga Lukoschat