: Mit Männern gegen sexuelle Gewalt?
■ Vage Absichtserklärung beim Versuch, Männer in den Kampf gegen sexuelle Gewalt einzubeziehen
Drei Tage lang referierten und erörterten am Wochenende Psychologinnen, Rechtsanwältinnen und andere Expertinnen sowie einige Experten vor 800 vorwiegend weiblichen Teilnehmerinnen und einer Frauen– sowie einer Männer–Jury, verschiedene Aspekte der sexuellen Gewalt gegen Frauen auf einem Kongreß des Komitees für Grundrechte und Demokratie in Köln. Die Absicht des Komitees, Männern ihre tatsächliche Verantwortung klarzumachen und die Hoffnung der Organisatorinnen, sie als Bü
„Während dieser dreitägigen Kampagne sind nach vorsichtigen Schätzungen wiederum 3.700 Frauen und Mädchen in der Bundesrepublik Opfer sexueller Gewalt geworden.“ Damit brachte die Frauen–Jury schlicht, aber plastisch die entsetzliche Alltagssi tuation von Frauen und Mädchen dieser Gesellschaft auf den Punkt. Ebenso wie eine Männerjury, jeweils bestehend aus namhaften Vertreterinnen bzw. Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Bereiche hatte sie den Kongreß zur sexuellen Gewalt am vergangenen Wochenende in Köln begleitet. Am Ende äußerten Frauen wie Männer gleichermaßen Erschütterung und Betroffenheit angesichts der hautnahen Schilderungen von Frauen über das Ausmaß sexueller Gewalt. Doch bei Perspektiven der Veränderung, bei Überlegungen zu konkreten Schutz– und Hilfsmaßnahmen paßten insbesondere die Männer. Sie flüchteten in bekannter Manier in allgemeine, wohlklingende Formeln, während die Frauen–Jury neben konkreten juristischen Verbesserungen zum Schutz von Frauen und Mädchen die ausreichende Finanzierung für Selbsthilfeeinrichtungen und Beratungsstellen für Frauen und Mädchen forderte, und - nach dem Prinzip, daß die Verursacher selbst die Kosten tragen - die Einführung einer „Männersteuer“. So bedrückend und erschütternd die Bestandsaufnahme einerseits war, so beeindruckend und ermutigend war andererseits die Klarheit, Selbstsicherheit und Stärke, die viele Rednerinnen vermittelten. Dringend geboten sind Verbesserungen innerhalb von Institutionen im Umgang mit vergewaltigten Frauen. Doch über die Begrenztheit der Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel bei der Polizei, ließ die Juristin und Pädagogin Sabine Klein–Schonnefeld, Vertreterin des Arbeitskreises „Institutioneller Umgang mit Vergewaltigungsopfern“, keine Zweifel aufkommen. Denn in Bremen gibt es inzwischen ein Sonderdezernat bei der Staatsanwaltschaft, das für Vergewaltigungsdelikte eigens zuständig ist. Durch das Sonderdezernat sei zwar die Spurensicherung verbessert und die Vernehmungen der Frauen kompetenter geworden. Dennoch, so Klein– Schonnefeld, ist auch in Bremen eine Frau nicht vor diskriminierendem Verhalten von Polizeibeamten sicher. Das grundlegende Übel: Die Konzentration auf das Opfer anstatt auf den Täter, so Klein–Schonnefeld, ist auch in Bremen geblieben. Ihr persönliches Fazit: „Ich bin selbst nicht sicher, ob ich eine Vergewaltigung anzeigen würde.“ Sexuelle Gewalt im „Männer–Rechtsstaat“ Auch das neue Gesetz, das angeblich die Stellung der Verletzten im Strafverfahren verbessern soll, schafft, nach den Ausführungen der Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller für vergewaltigte Frauen im Gerichtsverfahren kaum Erleichterung. Denn der zentrale Punkt, daß Frauen durch Fragen nach ihrem Sexualleben im Verfahren diffamiert werden, ist, je nach Verständnis der Richter, nicht grundsätzlich auszuschließen. Der vielgepriesene Rechtsstaat, der allen Mitgliedern der Gesellschaft gleichermaßen zum Recht verhelfen soll, ist eben ein „Männerrechtsstaat“, so die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise Pusch, mit Gesetzen, die von Männern gemacht und die - darüber waren sich die Anwesenden weitgehend einig - ebenso wie die sexuelle Gewalt gegen Frauen selbst, zur Aufrechterhaltung der Männermacht dient. Auf diesem Hintergrund war es einigermaßen erstaunlich und mag für die Souveränität des vorwiegend aus Frauen bestehenden rund 800–köpfigen Auditoriums sprechen, daß der Düsseldorfer Rechtsanwalt Günter Tondorf nur durch Pfiffe und Gejohle unterbrochen, seine Ausführungen ansonsten ungestört zu Ende bringen konnte. Denn er hatte sich selbst als Verteidiger eines Vergewaltigers zur „Demontage“ des 17jährigen Opfers bekannt, und ließ auch jetzt keine Zweifel daran aufkommen, daß einem Verteidiger im Interesse seines Mandanten jedes Mittel, das der Rechtsstaat ihm gibt, ausschöpfen muß bis hin zur Demontage des Opfers - wenn die Gesetze das einschließen. Dazu paßten die theoretischen Ausführungen der feministischen Theoretikerin Christina Thürmer–Rohr: „Der Erweis der Geschlechterordnung, die der Vergewaltiger praktiziert, wird von Männern ununterbrochen erbracht, öffentlich und nicht–öffentlich, verbal und nicht–verbal, sexuell und nicht–sexuell, in abgewetzter und neu–erfundener Form. Der Täter kann sich der Grundübereinkunft mit männlichen Verbündeten und Potential– Tätern sicher sein, sicher des Männerbündnisses in allgemeinster Form. Er kann davon ausgehen, daß Männer im Grundmuster der Tat heimlich oder offen mit ihm übereinstimmen. Beweis ist die männliche Reaktion auf männliche Gewalttaten, ihr Un–Versuch, zu begreifen, ihre zuverläsige Parteinahme gegenüber ihresgleichen, ihre Weigerung, diese Tat als eine Opferung zu erkennen. Die Norm–Abweichung des Vergewaltigers besteht allerdings darin, daß er eine Demütigungsform gegenüber der Frau wählt, die dem Prestige des Mannes nicht besonders dienlich ist.“ Entsprechend dieser Analyse war durch die Anwesenheit von Männern auf diesem Kongreß ein grundlegender Widerspruch immer präsent, nämlich der, daß Frauen ungeachtet der konträren Männerinteressen - und das war erklärtes Ziel dieses Kongresses - Männer als Bündnispartner zur Bekämpfung der sexuellen Gewalt gewinnen und einbeziehen wollten. Wenig erstaunlich dabei war andererseits, daß zum Beispiel das Jury–Mitglied Alfred Mechtersheimer nach zweistündiger Anwesenheit das Weite suchte und dazu u.a. schriftlich erklärte: „Die Arbeiterbewegung ist gegen die Kapitalistenbewegung entstanden und nicht mit diesen!“ Keine vorschnellen Bündnisse Andere Kongreßteilnehmer zeigten sich bei allem offenkundigen Bemühen fast peinlich hilflos angesichts der vorgebrachten Problematik, wollten aber dennoch nicht auf zeitraubende Redebeiträge verzichten, wie etwa Volker Elis Pilgrim, der die „Destruktivität“ der Männer mit ihrem grundsätzlichen „Männlichkeitsdefizit“ erklärte; zumindest eine Ursache davon: die unaufgelösten „Mutterbindungen“! Fazit der Soziologin Barbara Kavemann: „Wir dürfen uns nicht auf vorschnelle Bündnisse einlassen. Zuvor muß jeder Mann auf grundlegende Positionen zur Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen und zum Zusammenhang von Sexualität, Macht und Gewalt festgelegt werden.“ Gitti Hentschel
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