Kältewelle in Griechenland mit katastrophalen Folgen für das Land

■ 48 Todesopfer / Dörfer eingeschneit / Lebensmittelengpässe / Ernten vernichtet / Um EG–Hilfe gebeten

Aus Athen Georg Schwarz

Die Griechen haben dem Monat März nie so richtig getraut, nennen sie ihn doch „Jdartis“ - den Schinder. Die Volksweisheit bewahrheitete sich in den letzten zwei Wochen allerdings auf brutale Weise, erlebt das Land doch den schwersten und längsten Winter seit über 50 Jahren, ganz zu schweigen von der bald drohenden Überschwemmungsgefahr durch die einsetzende Schneeschmelze. Die Kältewelle im ganzen Land - von der nordöstlichen Provinz Evros bis nach Kreta im Süden - forderte bisher 48 Todesopfer. Über 1.000 Dörfer hauptsächlich in Bergregionen sind von der Außenwelt abgeschnitten, viele Inseln und weite Teile Zentral– und Südgriechenlands müssen ohne Strom auskommen. In manchen Orten brachen auch die Telephonverbindungen zusammen. „Ich bin 81 Jahre alt, doch einen solchen Winter habe ich bisher noch nie erlebt“, erklärte fassungslos ein Bauer im Fernsehen. Vor allem die Landwirtschaft ist schwer betroffen. Januar und Februar waren äußerst milde Monate. Die Temperaturen betrugen bis zu 20 Grad, Obst– und Olivenbäume blühten schon, die nach dem Kälteeinbruch bis zu 100% zerstört sind. Auch die Getreideproduktion ist bis zu 70 zu 85 dürfte die Viehzucht sein: Auf der nordägäischen Insel Limnos starben mehr als 6.000 Schafe an Kälte und Futtermangel, hohe Verluste an Kühen und Ziegen sollen hauptsächlich in Kreta und der nordwestlichen Provinz Ipirus bestehen. Im Nordwesten des Landes rissen Wölfe Dutzende von Schafen. Die Regierung in Athen war auf eine Katastrophe diesen Ausmaßes nicht vorbereitet. Der eingesetzte Notstandsplan „Xenokratis“ sorgte denn auch für mehr Verwirrung als daß er half. Panzer auf den Straßen, die den bis zu drei Meter hohen Schnee plattwalzen und die Hauptverbindungen zu den Provinzstädten freihalten sollten, riefen bei der Bevölke rung unliebsame Erinnerungen wach. Also zog man die Panzer ab und beschränkt sich nun darauf, mit Militärhelikoptern Lebensmittel und Medikamente in eingeschneite Dörfer zu transportieren. Ersten Schätzungen zufolge beläuft sich der Sachschaden bisher auf mindestens 600 Millionen Mark, die eurokommunistische Zeitung Avgi spricht sogar von 300 Mrd. Drachmen (4,1 Mrd. DM) Gesamtschaden, das liberale Blatt Vima prognostiziert einen Produktionsausfall für die nächsten vier bis fünf Jahre. Das einzige, was zur Zeit blüht, ist der Schwarzmarkt. Engpässe in der Lebensmittelversorgung werden von vielen Händlern dazu benutzt, Gemüse– und Obstpreise in die Höhe zu kurbeln. Anfang der Woche wurden daraufhin in Athen die Preise für Gemüse und Früchte von der Regierung eingefroren. Landwirtschaftsminister Yannis Pottakis hat mittlerweile auch die EG um Hilfe ersucht.