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Fuldaer drängen zum Weimar–Prozeß

■ Indizienprozeß wegen zweifachen Kindesmordes begann gestern / Monika Weimar schilderte die Tatnacht / Widersprüchliche Aussagen brachten sie auf die Anklagebank

Aus Fulda Heide Platen

Ein Blitzlichtgewitter begleitete Monika Weimar gestern morgen kurz nach neun Uhr bis zur Anklagebank im Schwurgerichtssaal des Fuldaer Landgerichts. Sie verbirgt ihr Gesicht und verschwindet ganz hinter der Mauer der sie umringenden Journalisten. Vor dem Gebäude stehen die Bürger gedrängt Spalier im feuchtkalten Schneeregen. Die Angeklagte, die im August vorigen Jahres ihre beiden fünf– und siebenjährigen Töchter Karola und Melanie getötet haben soll, wird durch den Hintereingang in den Saal geführt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr „Heimtücke und niedere Beweggründe“ vor. Der Vorsitzende Richter Bormuth gewährt ihr gleich nach der Feststellung der Personalien eine Viertelstunde Pause „ohne Fotografen“. Wer sie jetzt noch belästige, droht er, werde auf Dauer von der Verhandlung ausgeschlossen. Hilfe aus dem Vernehmungsprotokoll Die 28jährige Monika Weimar ist schmal und blaß. Sie hat hörbar Schwierigkeiten, ins Mikrophon zu sprechen, stockt und strengt sich an. Bormuth hilft ständig mit dem Vernehmungsprotokoll nach, während sie ihr Leben und die Tage vor dem 4. August 1986 schildert. Als sich die Vernehmung dem Tattag nähert, unterbricht er erneut für eine Pause. Monika Weimar hatte bis dahin berichtet, daß sich ihr Mann, nachdem ihm die Decke des Schlafzimmerschrankes auf den Kopf gefallen war, verändert habe. Dreimal sei er umgefallen oder habe ganz weggetreten gewirkt und einmal „vor der Tür gestanden und gestammelt“. Die Ärzte, die eine Gehirnerschütterung diagnostiziert hatten, stellen fest, daß er Schlaftabletten nahm. Wie er an die Tabletten gekommen war, weiß sie nicht. Sie habe sie ihm jedenfalls nicht, wie er vermutete, in das Essen gemischt. Sie habe sich damals nur wegen seiner Krankheit nicht von ihm scheiden lassen wollen, die Ehe sei immer schlechter geworden, er habe sie geschlagen. Einmal habe sie ihn, dem seine Hobbys Tennis und Kegeln wichtiger gewesen seien als sie und die Kinder, mit einem „Kegelbruder“ betrogen. Zu ihrem Verhältnis zu dem bis Ende 1986 in Bad Hersfeld stationierten 23jährigen US–Soldaten Kevin Pratt sagte sie aus, sie hätten heiraten wollen. Streit habe es gegeben, weil sie die Scheidung nicht intensiv genug betrieb, sondern „erst die Einschulung“ der siebenjährigen Melanie am 7. August hatte regeln wollen. Ganz still wird es im Saal, als Monika Weimar schildert, wie sie in der Nacht auf den 4. August nach dem Disco– Besuch ihre toten Kinder gefunden habe. Ihr Ehemann Reinhard Weimar sei der Täter gewesen. Richter Bormutz insistiert leise und beharrlich. Ab hier beginnen die Widersprüche, die Monika Weimar auf die Anklagebank brachten. Sie hat nicht um Hilfe geschrien, sondern geweint und später geschlafen. Daß sie morgens dorthin fährt, wohin nach ihrer Aussage ihr Mann die toten Kinder nachts mit dem Auto brachte, an einen Parkplatzrand, erklärt sie weinend. Alles andere bleibt unklar. Widersprüchliche Zeitaussagen habe sie versehentlich gemacht. Daß sie die polizeiliche Suche nach den Kindern ausgelöst habe, sei ein Reflex gewesen. Sie habe ihrem Mann helfen wollen, weil er ihr so oft vorgeworfen habe, daß sie immer die Person sei, die „alles kaputtmacht“. Die Fassung verliert Richter Bormuth, als die Angeklagte berichtet, sie habe am Montagvormittag nach der Tat bei Post und Sparkasse Rechnungen für Versandhäuser bezahlt: „Da lassen Sie doch den Bauer–Versand Bauer–Versand sein. Ihre Kinder sind tot!“ Ähnlich verworren muß Monika Weimar über eine zersprungene Windschutzscheibe und die Socken der Kinder ausgesagt haben. Die Prozeßdauer ist auf 23 Verhandlungstage angesetzt.

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