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CIMsalabim - am großen Trick wird noch geübt

■ Das große Geschäft um die „Fabrik mit Zukunft“ hat erst angefangen / CIM–Konzepte setzen die Gewerkschaften unter Zugzwang / Dequalifikation auch im Management

Von Dietmar Bartz

Von ihren erheblichen Schwierigkeiten, den Besuch der Hannover– Messe als Dienstfahrt genehmigt zu bekommen, erzählten sich Betriebsräte süddeutscher Maschinenfabriken auf dem Messe–Gelände. Zur Computer– und Software–Messe CeBIT hätten sie sofort fahren dürfen, doch der Besuch der Industrie–Ausstellung, die sich vor allem mit der Automatisierung der Produktion befaßt, sei erst nach einigem Druck durchzusetzen gewesen. Kein Wunder - schließlich bekamen die Interessenten hier stolz vorgeführt, was mit CIM–Lösungen alles vernetzt und kontrolliert werden kann, in welchem Umfang sie „Lohnkosten senken“ und zuletzt einmal mehr Neues über die „Freisetzungseffekte“. CIM gilt als die Methode für die „Fabrik mit Zukunft“ und ist die Abkürzung für „Computer integrated Manufacturing“, computerintegrierte Herstellung. Am Geschäft mit den neuen Produktionskonzepten wollen viele verdienen. AEG, IBM, Siemens, Krupp Atlas, Digital Equipment konkurrieren um den Markt an der Schnittstelle zwischen Maschine und Computer. Darunter stellt sich jeder der großen Anbieter– Konzerne etwas anderes vor, doch das Ideal ist für alle gleich: die vollautomatische und hochflexible Fabrik, in der der gesamte Produktionsprozeß durch einen Leitrechner gesteuert ist und alle Maschinen und die Büros untereinander vernetzt sind. Die Schwierigkeiten, solche Konzepte auch nur in kleineren Bereichen einzuführen, sind jedoch enorm: sie sind sehr teuer, oft technisch noch unausgereift, und außerdem ist die Struktur vieler Betriebe bislang nicht darauf eingerichtet. Als Begründung dafür, die neuen Technologien in den Betrieben einzuführen, werden immer wieder die neuen Marktanforderungen genannt. Die gleiche Maschine muß eine größere Anzahl von Varianten produzieren können, der Produktzyklus hat sich erheblich verkürzt. Diese flexible Automatisierung sei vor allem notwendig, weil die Konkurrenz aus Japan und den USA sie bereits in großem Umfang einführe. Extrem exportabhängige Branchen wie der bundesdeutsche Maschinenbau bräuchten diese Technologien also, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Bis zum Ende der siebziger Jahre lag eine hohe Produktionsreserve in der Fabrik darin, an den Hauptzeiten zu sparen, an der Bearbeitung der Einzelteile bis zur Endmontage. Bei EDV–gesteuerten Werkzeugmaschinen wurde beispielsweise die Schnittgeschwindigkeit drastisch gesteigert, praktisch bis zu den Grenzen der Belastungs– und Bearbeitungsfähigkeit der Werkzeuge und der Werkstücke. In diese erste Welle der neuen Rationalisierung fällt die Herausbildung der sogenannten „Insellösungen“, eben der EDV–gesteuerten Automatisierung einzelner Fertigungsvorgänge. Angelaufen ist jetzt die Erfassung des „indirekten“ Bereiches durch die Automatisierung. Werkzeug– und Werkstoffwechsel werden nicht mehr manuell ausgeführt, sondern von der Maschine selbst erledigt. Nur fünf bis zehn Prozent der Durchlaufzeit in der Fabrik werden derzeit benötigt, um den Auftrag zu bearbeiten, das Werkstück zu konstruieren, herzustellen und aus dem Werk herauszuschaffen; zwischen 90 und 95 Prozent der teuren Zeit liegt es in Lagern, wird transportiert oder steht zur Abholung bereit. Hier haben die Spezialisten der Produktionsorganisation riesige Rationalisierungsreserven ausgemacht. Versteht sich, daß dafür ein dichter Datenstrom mit den Anforderungen an den Lieferanten notwendig ist, der seine gesamte Produktion auf diese Erfordernisse einstellt und damit zur verlängerten Werkbank des Abnehmerkonzerns wird. Das Risiko bei Störungen dieser „Just– in–time“–Produktion trägt der Zulieferer. Im Fertigungsbereich ist die Automatisierung am weitesten fortgeschritten. Alle großen Anbieter haben „CIM–Komponenten“ in ihrem Programm, die etwa den Weg vom computer–geschützten Design (CAD) bis zur Herstellung des einzelnen Werkstücks (CAM) vernetzt haben - auf dem Papier jedenfalls. Was sich bisher bereits an Veränderungen in den Werkstätten vollzogen hat, wirft ein Schlaglicht auf die anstehenden Umbrüche in Büro und Konstruktion. Die ganze altbekannte Fabrik wird nun umgekrempelt, und viele passen da nicht mehr ins Konzept. Nach einer Schätzung des Stuttgarter Fraunhofer–Instituts für Produktions–Automatisierung werden durch CIM im Jahre 2009 die gleiche Menge Waren wie heute mit nur noch 50 bis 70 Prozent der Beschäftigten hergestellt werden können. Das Firmenpersonal steigt bei der Einführung von CIM–Komponenten für drei bis fünf Jahre an, vor allem durch die Einstellung von Informatikern und Ingenieuren, sinkt aber dann durch die Rationalisierungsentlassungen wieder ab; nach einiger Zeit müssen dann auch die EDV– Fachleute bis auf einen kleinen Stamm wieder gehen. Auf der Strecke bleiben dabei vor allem Frauen, Ausländer und ältere Arbeitnehmer. Gwerkschaften und Betriebsräte haben angesichts dieser Entwicklung schlechte Karten. Die Einführung neuer Technologien und Arbeitsorganisationsmodelle entläßt nicht nur einen Großteil der Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit, für die verbleibenden Belegschaften verändert sich die Arbeitswelt durchaus dramatisch: neue Qualifikationsanforderungen, flexible Arbeitsorganisationen, neue Entlohnungsgrundsätze liegen quer zu der bisherigen gewerkschaftlichen Tarifpraxis. Neue, erst einmal maßgeschneiderte Lösungen müssen in den Betrieben entwickelt und erprobt werden - ein Hase–und–Igel– Rennen zwischen Betriebsräten und Management, bei dem die Gewerkschaften bisher nur mit wenigen Technologie–Beratungsstellen Unterstützung liefern. Der Informationsvorsprung der Unternehmer ist extrem gewachsen und wird weidlich ausgenutzt. Üblich ist, daß zunächst die Vorstudien zur Einführung der Automatisierung in Auftrag gegeben werden und der Betriebsrat erst dann informiert wird, wenn sich die Lösungen schon stark verdichtet haben. Dann gibt es zwei unterschiedliche Strategien: dem Betriebsrat so wenig wie möglich Informationen zukommen zu lassen, die Einführung aber bereits stark voranzutreiben, oder ihn mit Informationen über die bislang oft völlig ungewohnte Materie zu überschütten, bis er kapituliert. Da ist es ein geringer Trost, daß der Dequalifikations– und Auswechselprozeß auch vor der Management–Ebene nicht halt macht: Autoritäre Chefs haben wenigstens im unteren und mittleren Management schon keine Chance mehr, weil sie Problemlösungen behindern und zur Gruppenarbeit nicht fähig sind.

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