■ Nachlese
: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Chance und Gefahr; Gefährliche Botschaft; Gorbatschows Bringschuld. Überschriften von drei Leitartikeln Günther Nonnenmachers, die in dieser Reihenfolge in den letzten vier Wochen die erste Seite der FAZ zierten - zuletzt in der gestrigen Ausgabe. Stationen der Verunsicherung, der Ängste, hervorgerufen durch sowjetische Abrüstungsoffensiven. Beschwörung auch des versteinerten Status Quo in Europa angesichts der neuen sowjetischen Beweglichkeit. Vom falschen Zungenschlag Gorbatschows ist die Rede, vom Verdacht und vom politischen Irrweg einer möglicherweise sich neu entwickelnden Mitteleuropa–Diskussion. Angesichts derartiger Irritationen sehnt sich die FAZ nach alten Zeiten, wo Gromyko die Außenpolitik des Kreml bestimmte und westlichen Vorschlägen mit schöner Berechenbarkeit sein bärbeißiges Njet entgegensetzte. Stattdessen finde derzeit ein Wettlauf zwischen Hase und Igel statt in der Ost–West–Politik, wo Gorbatschow immer schon eine Station weiter sei. Die Ängste steigern sich: Schon kursieren Gerüchte, der Kreml erwäge eine deutschlandpolitische Initiative. Man könne sich ausmalen - so die FAZ - was das für die Bundesrepublik bedeutet, in der gerade wieder heftig über die Stalin– Note von 1952 diskutiert wird. Unruhe werde gestiftet bei den westlichen und auch bei den östlichen Nachbarn. Bei solchen Überlegungen schwingt schon die Angst mit, die Mauer könne fallen. Psychologisch gesehen jedenfalls nähert sich die FAZ den frühen fünfziger Jahren an. Jetzt fehlt ihr nur noch ein neuer Adenauer, der die Kontinuität der verpaßten Chancen wahrt. mtm