Höchststrafe für ungarischen KDVler

■ Erstmals Verweigerung politisch begründet / Oppositionskreise machen mit Komitee mobil / ai als Beobachter im Prozeß

Von Hubertus Knabe

Budapest (taz) - In der ungarischen Hauptstadt ist am Montag der 23 Jahre alte Englischlehrer und Untergrundverleger Zsolt Keszthely zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte sich geweigert, seiner Einberufung zum Militärdienst Folge zu leisten. Er erhielt die höchste Strafe, die nach ungarischem Recht für dieses Delikt verhängt werden kann. Keszthely hatte vor einigen Monaten überraschend seine Einberufung erhalten, nachdem in seiner Wohnung bei einer Hausdurchsuchung größere Mengen Untergrund–Schriften beschlagnahmt worden waren. Er verweigerte daraufhin den Kriegsdienst mit der Begründung, er sei nicht bereit, einer Regierung als Soldat zu dienen, die nicht demokratisch gewählt worden wäre. Damit wurde in Ungarn erstmals der Militärdienst aus politischen Gründen abgelehnt. Nach seiner Verhaftung wurde in Oppositionellenkreisen ein Solidaritätskomitee gegründet. Zu dem Prozeß hatte die Gefangenenhilfsorganisation amnesty international einen Beobachter nach Budapest entsandt, der jedoch ebenso wie etwa 30 weitere Personen nicht in das Gebäude des Militärgerichts gelassen wurde. Später erwirkte der Rechtsanwalt des Angeklagten jedoch, daß drei der Wartenden zur Beobachtung des im Prinzip öffentlichen Prozesses eingelassen wurden und der amnesty–Beauftrage der Urteilsverkündung beiwohnen durfte. Laut Informationen des nach seiner Verhaftung gegründeten Zsolt–Keszthely–Solidaritäts–Komitees sind in Ungarn bislang mehrere tausend Kriegsdienstverweigerer zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, weil sie religiöse Gründe angegeben hatten. Das Komitee forderte die Abschaffung der Wehrpflicht in Ungarn und bis zur Verwirklichung dieses Zieles die Einführung eines zivilen Friedensdienstes. Die derzeit etwa 150 inhaftierten KDVler sollten mittels einer Amnestie umgehend freigelassen werden. Beobachter werteten den vierstündigen Prozeß als Novum, weil Wehrdienstverweigerer sonst in zehnminütigen Schnellverfahren abgeurteilt würden. Auch eine ernsthafte Verteidigung habe es bislang nicht gegeben. Keszthelys Verteidiger hat bereits gegen das Urteil Revision eingelegt.