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Sprengstoffprozeß vertagt

■ „Anklagetorso“ der Bundesanwaltschaft läßt möglicherweise Verfahren platzen / Anklage nach § 129 a nicht zugelassen / Auch Oberstaatsanwalt äußert Bedenken am Verfahren / Fiktion einer „terroristischen Gruppe“

Aus Hannover Jürgen Voges

„Ist die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft rechtsfehlerhaft? Darf das Verfahren überhaupt eröffnet werden?“ Mit einem Disput um diese Fragen begann gestern vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Hannover der Prozeß gegen Isabel Jacob und drei Mitangeklagte, denen vorgeworfen wird, im Jahre 1985 Sprengstoffanschläge begangen zu haben bzw. daran beteiligt gewesen zu sein. Gegenstand des schon jetzt auf 20 Verhandlungstage angesetzten Verfahrens ist der mißglückte Anschlag auf das Hannoversche Messegelände, bei dem Jürgen Peemöller im März 1985 beim Plazieren eines Sprengkörpers tödlich verletzt wurde, und ein weiterer Sprengstoffanschlag auf das Einzelhandelsgebäude der Stadt. „Die Bundesanwaltschaft“, daran erinnerte gestern Rechtsanwältin Barbara Klawitter, „war 1985 angetreten, um in Hannover eine terroristische Vereinigung ins Leben zu rufen“. In Hannover wurden damals Dutzende von Wohnungen durchsucht, Telefone abgehört und über 40 Zeugen aus der Autonomen– Szene vorgeladen. Doch nach Ansicht von Klawitter füllt „das Ergebnis zwar 19 Leitzordner, die jedoch keinen handfesten Beweis enthalten“. Das Oberlandesgericht Celle, bei dem die Bundesanwaltschaft Anklage nach §129a wegen Bildung einer namenlosen „terrorisitischen Vereinigung“ erhob, im Juni vergangenen Jahres die Karlsruher Anwaltschaft aufgefordert, „die Anklageschrift zurückzuziehen“. Als die Bundesanwaltschaft dies verweigerte, ließ das OLG Celle eine Anklage nach §129a nicht zu und verwieß die übrigen Vorwürfe zur Verhandlung an das Landgericht Hannover. So durfte gestern Oberstaatsanwalt Nicolaus Borchers zu Beginn des Prozesses nur noch Teile der ursprünglichen Anklage verlesen. Für die Verteidigung war bereits dieser „Anklagetorso“ Anlaß zum Einhaken. Die Rechtsanwältinnen Klawitter und Renate Trobitzsch beantragten für ihre beiden Mandanten, zwei ehemalige Mitbewohner Peemöllers, die Einstellung des Verfahrens, da ein Verfahrenshindernis vorliege. Die Taten würden gar nicht benannt, durch die ihre Mandanten „Beihilfe zu einen Sprengstoffvergehen und einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz“ begangen haben sollen. Es heiße in der Anklage lediglich, sie hätten von der Lagerung des Sprengstoffs in der Wohnung Kenntnis gehabt und seien damit einverstanden gewesen. Aber allein für eine Verurteilung nach dem Gesinnungsparagraphen 129a, so argumentierten die Verteidigerinnen, sei der Einzeltatnachweis entbehrlich. Die ganze Anklage gehe auch jetzt immer noch von der Fiktion einer Gruppe mit gemeinsa mer Zielsetzung aus. Auf einen Nachweis einzelner Taten habe die Bundesanwaltschaft geglaubt, verzichten zu können. Für die Hauptangeklagte Isabel Jacob, der direkte Beteiligung am Anschlag auf das Messegelände vorgeworfen wird, erklärte Rechtsanwalt Henning Plähn, auch in ihrem Fall seien die meisten Vorwürfe nicht hinreichend konkretisiert. Lediglich die Verteidigung des vierten Angeklagten schloß sich diesem Antrag nicht an. Dieser hatte sich durch die Aussage, Jürgen Peemöller eine Kiste mit Bundeswehrmunition übergeben zu haben, bei seiner Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft selbst belastet. Auch Oberstaatsanwalt Borchers erklärte anschließend, ihm seien die von der Verteidigung vorgetragenen Bedenken ebenfalls gekommen. Das Gericht hat den Prozeß nach den Anträgen der Verteidigung erst einmal bis Montag vertagt.

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