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Herstatt–Pleite wieder vor Gericht

■ Nach Verfahrensfehlern und Urteilsaufhebung in der ersten Runde neuer Strafprozeß

Köln (ap) - Knapp 13 Jahre nach dem spektakulärsten Bankenzusammenbruch der deutschen Nachkriegsgeschichte, der 1,2–Milliarden–Mark–Pleite des Kölner Privatbankhauses Herstatt, beginnt am Dienstag eine neue Runde in der strafrechtlichen Aufarbeitung des Bankenkrachs. Vor Gericht stehen erneut der nun 73 Jahre alte Bankgründer Iwan D. Herstatt und drei seiner Devisenhändler. Das Kölner Bankhaus war am 26. Juni 1974 nach fehlgeschlagenen Devisenspekulationen mit einem Gesamtumsatz von über 1,5 Billionen Dollar von der Bankenaufsicht geschlossen worden. Die Angeklagten waren deshalb von Kölner Gerichten zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die Urteile wurden vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe jedoch aufgehoben. Der Ex–Bankier war bereits im Februar 1984 nach einem nur elftägigen Prozeß, bei dem Auseinandersetzungen der Gutachter um seinen Gesundheitszustand Aufsehen erregten, wegen schweren Bankrotts und Untreue zu einer viereinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Doch wegen Verfahrensfehlern hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil auf und sprach Herstatt vom Vorwurf des schweren Bankrotts frei. Dem persönlich haftenden Gesellschafter sei nicht nachzuweisen, daß er die Jahresbilanz 1973, die unrichtige Gewinnangaben enthielt, in der Absicht der bewußten Benachteiligung der Gläubiger unterschrieben habe. So hat die 10. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts an voraussichtlich vier Verhandlungstagen nur noch ein neues Strafmaß für den übrig gebliebenen Untreuevorwurf festzulegen. Denn aufgrund der „geschönten Bilanzangaben“ waren an leitende Bankmitarbeiter erfolgsabhängige Tantiemen gezahlt worden, obwohl die Bank längst tief in den roten Zahlen steckte. Herstatt alleine kassierte damals rund 800.000 Mark. Auch diesmal werden wohl wieder Auseinandersetzungen der Gutachter um Herstatts Gesundheitszustand im Mittelpunkt stehen. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat ihn zwar für „eingeschränkt verhandlungsfähig“ erklärt, doch sein Anwalt Millinger will kurzfristig einen eigenen Gutachter hinzuziehen. Auf jeden Fall werde Herstatt jedoch zum Prozeßauftakt erscheinen. 1984 hatten die Kölner Richter das erste Verfahren in Herstatts Abwesenheit begonnen, da der Ex–Bankier nach ihrer Überzeugung damals „vorsätzlich und schuldhaft seine Verhandlungsunfähigkeit herbeigeführt hatte“. Er hatte sich wenige Tage vor Prozeßbeginn einen Herzschrittmacher einsetzen lassen. Eine Maßnahme, die Sachverständige „medizinisch unbegründet“ nannten. Als Zeuge vor Gericht erscheinen soll erstmals der damalige Mehrheitsaktionär und Aufsichtsratsvorsitzende der Bank, Hans Gerling. Er ist unter teils spektakulären Begleitumständen bisher jeder Ladung aus dem Weg gegangen, so daß ein Kölner Gericht von einem „beispiellosen Fall einer Zeugenflucht“ gesprochen hatte. Auch zur Zeit befindet er sich nach Angaben eines Konzernsprechers zu einem längeren Klinikaufenthalt in der Schweiz. Insgesamt haben die Verfahren seit 1970 nach inoffiziellen Schätzungen Kosten von fünf Millionen Mark verursacht.

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