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Schikanen, Drohungen, Kündigungen ...

■ Ob krimireife Inszenierungen oder findige Suche nach Kündigungsgründen: Der Phantasie so manchen Unternehmers sind in puncto Ver– und Behinderung von Betriebsratswahlen keine Grenzen gesetzt / Laut Umfrage des DGB in Baden–Württemberg versucht jeder zehnte Unternehmer Einfluß auf die Wahlen zu nehmen

Aus Köln Hans Nakielsky

Von März bis Mai 1987 laufen die turnusmäßigen Betriebsratsneuwahlen. Es ist zu befürchten, daß auch dieses Mal wieder Unternehmer und ihre Helfer in den Geschäfts– und Personalleitungen versuchen werden, die Wahlen zu beeinflussen. Das Rheinische Journalistenbüro hat in dem soeben erschienenen Buch „Unternehmermethoden gegen Betriebsratswahlen - Reportagen aus Grauzonen der Arbeitswelt“ zahlreiche Wahlbehinderungen aus den vergangenen Monaten und Jahren dokumentiert. Einer der Autoren schildert für die taz einige Beispiele. An einem grauen verschneiten Samstagnachmittag sitzen in einer kleinen Gaststätte im Flensburger Stadtteil Harislee zwölf Männer und eine Frau dichtgedrängt um einen Tisch. Vor sich haben sie Zettel und Namenslisten liegen, als ein jüngerer Mann durch die Tür tritt. Der Neuankömmling, der einen weißen Briefumschlag aus seiner Tasche zieht und damit auf den Tresen klopft, erregt sofort die Aufmerksamkeit der Leute am Tisch. Sie flüstern miteinander. Dann steht einer nach dem anderen betont unauffällig auf, zahlt seine Zeche und stiehlt sich zum Ausgang. Draußen steigen sie in ihre Autos und fahren in großer Eile davon. Auch der Mann mit dem Briefumschlag verläßt die Kneipe und steigt in sein Auto. Er hat ein festes Ziel: Die Wohnung von Reiner S. Er bremst vor dessen Haus. Er klingelt. Nichts. Er klingelt Sturm. Nichts. Er sucht die nächste Telefonzelle und läßt das Telefon bei Reiner S. sehr lange läuten. Nichts. Doch er weiß: Der Gesuchte und seine Kumpane können nur in der Wohnung sein. Deshalb formt er Schneebälle und wirft sie mit aller Wucht gegen die Fenster von Reiner S. Nichts. Tatsächlich befinden sich die zwölf Männer, alles Beschäftigte einer Druckerei names Interlitho GmbH, und die Frau, eine DGB– Rechtssekretärin, bei Reiner S. im Wohnzimmer. Sie wählen einen Wahlvorstand, der die Wahl eines Betriebsrats bei der Interlitho vorbereiten soll. Reiner S. wird in den Wahlvorstand gewählt. Spät am Abend klingelt bei ihm wieder das Telefon. Diesmal hebt er ab. Sofort erkennt er die Stimme des Mannes: Herbert Petersen, der Chef der Interlitho GmbH, sagt nur: „Es liegt ein Schreiben für Sie im Briefkasten!“ Dort findet Reiner S. dann tatsächlich ein an ihn adressiertes Schreiben. Es ist die Kündigung für den Druckerei–Angestellten, der soeben ordnungsgemäß zum Wahlvorstand bestellt worden war und für den deshalb - genau wie für Betriebsräte und Betriebsratskandidaten - ein besonderer Kündigungsschutz gilt. Die Kündigung des Chefs der Interlitho GmbH kam deshalb zu spät. Das bestätigte später auch das Flensburger Arbeitsgericht. Bei der Gerichtsverhandlung gab der Interlitho–Rechtsanwalt, Karl–Heinz Petersen, auch ganz unumwunden zu, daß Reiner Stöcken nur deshalb gefeuert werden sollte, weil er sich bereiterklärt hatte, als Betriebsrat zur Verfügung zu stehen. „Es ist zunächst beabsichtigt gewesen, mit der Kündigung zu warten, um zu sehen, ob sich noch weitere Gründe für die Kündigung ergäben“, heißt es im Gerichtsprotokoll. „Nachdem die Aufforderung zur Betriebsversammlung und zur Bestellung eines Wahlausschusses bekannt geworden ist, ist die Kündig aber doch schon vollzogen worden ...“ Der Fall „Interlitho“ zeigt, wie Unternehmer oft bis zur letzten Minuten versuchen, Wahlen von Betriebsräten in „ihren“ Betrie ben zu verhindern. Dabei schreibt das Betriebsverfassungsgesetz schon im ersten Paragraphen eindeutig vor: „In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern .. werden Betriebsräte gewählt.“ Doch so einfach diese Gesetzesabstimmung klingt, so schwer ist sie in vielen Firmen durchzusetzen. Zwar weiß niemand genau, bei wie vielen Betrieben Unternehmer die Wahl einer gesetzlichen Interessenvertretung zu be– oder verhindern versucht haben. Aus einer Umfrage, die der DGB– Landesbezirk Baden–Württemberg 1982 landesweit bei 1.780 Betriebsräten durchgeführt hat, kann man aber in etwa die Dimension des Problems erahnen: In zehn Prozent aller Betriebe berichteten damals Kolleginnen und Kollegen von Versuchen „des Arbeitgebers oder dessen Beauftragten, die Betriebsratswahl zu beeinflussen“. Und immerhin 3,5 Prozent der befragten Betriebsräte gaben an, daß bei ihnen sogar „schon einmal versucht wurde, die Wahl eines Betriebsrats zu verhindern“. Behinderungen von Betriebsratswahlen gibt es überall in der Bundesrepublik, in Betrieben jeder Branche und jeder Größe. Dabei kämpft jeder Unternehmer mit „seinen“ branchentypischen Mitteln entweder generell gegen die Wahl eines Betriebsrates oder gegen die Wahl bestimmter unbequemer Betriebsratskandidaten. Beim Kaufhaus WOHA in Schwäbisch Gmünd wurde z.B. einer Betriebsrats–Befürworterin ein Ladendiebstahl unterstellt, um so einen Kündigungsgrund zu finden. Bei der Fast–Food–Kette McDonalds war ein spezielles Team aus der Münchner Konzernzentrale damit beschäftigt, überall dort, wo ein Betriebsrat gewählt werden sollte, die Wahlbefürworter unter Druck zu setzen. So wurde etwa in der Oldenburger McDonalds–Filiale denjenigen Beschäftigten, die auf einer Gewerkschaftsliste kandidieren wollten, damit gedroht, daß ihre Erholungspausen drastisch verkürzt werden würden. Bei dem zum WAZ–Konzern gehörenden Zeitungsverlag Ruhrgebiet (ZVR) unterstellte man einer Redakteurin und Betriebsratskandidatin, die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt zu haben und kündigte sie daraufhin fristlos. Beim Hamburger Privatfernseh– Unternehmen Aktuell Presse– Fernsehen (APF) formulierte der Geschäftsführer Gerhard Naeher einen leidenschaftlichen Kommentar gegen die Gründung eines Betriebsrats. Und die Werksleitung des BMW–Motorradwerkes in Berlin spannte sogar die konzerneigenen Werbespezialisten ein, um den aus Unternehmersicht „vernünftigen“ Betriebsrats– Kandidaten zum Wahlsieg zu verhelfen. Die meisten dieser Wahlmanipulationen scheiterten letztlich, weil die betroffenen Kolleginnen und Kollegen derlei Unternehmermethoden nicht widerspruchslos hinnahmen. Meist aber mußten erst die Gerichte bemüht werden, und es vergingen Monate oder gar Jahre, bis diejenigen, die sich für eine ordnungsgemäße Betriebsratswahl einsetzten, auch zu ihrem Recht kamen. Das Recht hatten sie allemal auf ihrer Seite. Denn Behinderungen von Betriebsratswahlen sind nach dem Betriebsverfassungsgesetz verboten. Mehr noch: Wer die Wahl eines Betriebsrats „behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflußt“, der kann nach dem Gesetz sogar „mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr“ bestraft werden. Allerdings ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Unternehmer tatsächlich einmal wegen Behinderung von Beriebsratswahlen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden wäre. Unternehmermethoden gegen Betriebsratswahlen - Reportagen aus den Grauzonen der Arbeitswelt, Rowohlt–Verlag, 12,80 DM

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