: AIDS–Schnüffeln gebremst
■ Umstrittener Grenzschutzerlaß modifiziert / Grenzer sind sauer / Süssmuth rügt Innenministerium / Bayern zögert noch mit AIDS–Maßnahmenkatalog
Bonn (dpa) - Die heftig kritisierte Grenzschutz–Verfügung, nach der AIDS–kranken oder -infizierten Ausländern bei begründetem Verdacht die Einreise verwehrt werden kann, ist am Dienstag abgeändert worden. Den Betroffenen kann allerdings weiter die Einreise in die BRD verweigert werden. Die Entscheidung darüber darf entgegen der ursprünglichen Interpretation nicht der Beamte an der Grenze treffen. Es entscheidet die Grenzschutzdirektion Koblenz. Das BMI hatte der Grenzschutzdirektion am 1. April eine sogenannte Unterrichtung zukommen lassen. Darin hieß es, bei begründetem Verdacht könnten Kranke oder Infizierte aufgrund des Ausländergesetzes an der Grenze zurückgewiesen werden. In der am 21. April an die neun Grenz schutzämter gegebenen Verfügung der Koblenzer Direktion fehlten jedoch Hinweise, daß Grenzschutzbeamte nicht durch Tests oder Augenschein selbst feststellen könnten, ob ein Einreisender erkrankt oder infiziert sei. Der vom Innenministerium ausgehende Erlaß ist gestern heftig kritisiert worden. Das Einschleppen der Immunschwächekrankheit könne so nicht verhindert werden, sagte Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth (CDU). Sie nannte es einen „mißlichen Tatbestand, aus der Presse von dieser Grenzschutzanweisung zu erfahren“. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, hat den AIDS–Erlaß des Bundesinnenministeriums an die Grenzbehörden scharf kritisiert. Er sprach von einem „Schnellschuß“ des Ministeriums. Unmut herrschte auch unter Grenzbeamten über den Erlaß. Kopfzerbrechen bereitet den deutschen Grenzbeamten vor allem die Frage, wie sie AIDS– kranke Ausländer erkennen sollen. „Riechen tun wir die nicht“, meinte ein Beamter im Grenzschutzamt Konstanz. Die bayerische Statsregierung wird den im Alleingang beschlossenen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung von AIDS wohl erst in der kommenden Woche in die Tat umsetzen. Dies teilte die Staatskanzlei im Anschluß an die Ministerratssitzung am Dienstag mit. In der Sitzung hat der Ministerrat einen Bericht von Innenminister Lang und Staatssekretär Gauweiler zum Vollzug des Maßnahmenkatalogs „zur Kenntnis genommen“.
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