: Verwirrung war nicht zu verhindern
■ Baden–Württemberg legt Tschernobyl–Folgebericht vor / Umweltinformationssystem geplant / Radioaktivität nach Atombomentest in den sechziger Jahren war höher
Stuttgart (taz) - Einen dreibändigen, mehrere hundert Seiten langen Bericht über die Folgen von Tschernobyl hat die baden– württembergische Landesregierung gestern der Öffentlichkeit vorgelegt. Der Bericht, der in Zusammenarbeit des baden–württembergischen Umweltministeriums mit dem Sozialministerium, Gesundheitsämtern, der Landesanstalt für Umweltschutz, dem Institut für Kernenergetik der Uni Stuttgart und dem Karlsruher Kernforschungszentrum entstanden ist, war ursprünglich schon zum Jahrestag von Tschernobyl angekündigt, soll aber vom baden– württembergischen Ministerpräsidenten Lothar Späth wegen selbstkritischen Inhalten bisher zurückgehalten worden sein. Die jetzt vorgelegte Fassung enthält neben einer Einführung in die Grundlagen der Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung und die detaillierte Darstellung des Supergaus von Tschernobyl die Auswirkungen des Reaktorbrandes auf Baden–Württemberg und die Maßnahmen der Landesregierung im vergangenen Jahr. Die Landesregierung, so der Bericht, habe nach dem Tschernobyl–Unfall die „zeitweise Verwirrung in der Öffentlichkeit nicht verhindern können“, für die Zukunft sei aber ein landesweites „Umweltinformationssystem“ geplant. Zur Frage gesundheitlicher Spätfolgen meint der Bericht: „Die hohen natürlichen Krebserkrankungsraten machten es auch bei Betrachtung großer Bevölkerungsgruppen statistisch unmöglich, einen Zusammenhang zwischen Tschernobyl und einer Erhöhung der Krebserkrankungsrate nachzuweisen.“ Im Gegenteil, geringe Strahlendosen könnten eine Aktivierung des Immunsystems bewirken. Im Vergleich mit dem radioaktiven Fallout durch Kernwaffentests der fünfziger und sechziger Jahre, so die Autoren des Berichts, sei die radioaktive Belastung durch Tschernobyl sehr gering gewesen. Aus einer grafischen Darstellung über die sog. „natürliche Radioaktivität in Baden–Württemberg“ geht hervor, daß Landkreise in der Nähe von Atomkraftwerken durchschnittlich fast doppelt so hoch „natürlich“ belastet sind wie andere Landkreise.
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