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„Bayern mit Prozeßlawine überziehen“

■ Bundesverband Homosexualität und Grüne kündigen heftigen Widerstand gegen den „Seuchenpolizeistaat“ Bayern an / Grüne Abgeordnete fordert Ärzte zu zivilem Widerstand bei AIDS–Tests für Einzustellende auf

Bonn/München (ap/taz) - Energischen Widerstand gegen die geltenden AIDS–Zwangsmaßnahmen in Bayern haben der Bundesverband Homosexualität (BVH) und die Grünen angekündigt. „Der liberale Rechtsstaat verkommt zum Seuchenpolizeistaat“, klagte der BVH gestern in Bonn. In den Koalitionsvereinbarungen zu AIDS zeichne sich die Gefahr eines bayerischen Durchmarsches auf Bundesebene ab. Der BVH appellierte an Ärzte, Betroffenen, die einen negativen HIV–Antikörpertest nachweisen müssen, „auf jeden Fall einen negativen Befund zu attestieren“. Dieses Verhalten sei juristisch und moralisch unbedenklich, „da die Forderung nach einem negativen HIV–Antikörpertest Unrecht ist“. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, durch ein Antidiskriminierungsgesetz AIDS–Betroffenen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit zu ge währen. Der BVH forderte alle, die gegen ihren Willen einen AIDS–Test machen müssen, auf, dagegen Widerspruch einzulegen, um so die bayerische Staatsregierung „mit einer Prozeßlawine zu überziehen“. Die Grüne Bundestagsabgeordnete Jutta Oesterle–Schwerin forderte alle Ärzte und Amtsärzte dazu auf, „zivilen Ungehorsam zu leisten und die Durchführung von HIV– Antikörpertests bei Einstellungsuntersuchungen zu verweigern“. In der Bundesrepublik sind 700 Kinder und Jugendlichen bis zu 14 Jahren mit dem AIDS–Virus infiziert. Darunter befinden sich 400 Kinder, sagte der Leiter des Bluterzentrums in Bayern, Prof. Wolfgang Schramm, gestern in München. Das bedeute, daß nahezu jeder zweite bundesdeutsche Bluterpatient sei Träger des AIDS–Virus sei. Bei den jetzt verwendeten Präparaten bestehe jedoch kein Infektionsrisiko mehr.

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