Philippinen: Und morgen wieder die Straße?

■ Nach ihrer vernichtenden Wahlniederlage am 11. Mai berät die philippinische Linke über das künftige Vorgehen / Guerillasprecher geben zu, die Bedeutung der Städte vernachlässigt zu haben / Die legale Linke dagegen beklagt die Dominanz der alten Mächte / Jetzt wird ein Boykott der Kommunalwahlen erwogen

Von Michael Rediske

Sie sind enttäuscht, einige wirken müde. Der lange Wahlkampf war vergebens, die Linke ist der Verlierer der Parlamentswahlen vom 11. Mai. Ihre „Allianz für eine neue Politik“ landete nicht nur hinter den Regierungskandidaten Cory Aquinos, selbst von einigen Getreuen des gestürzten Diktators Marcos und der Rechtskoalition GAD wurden die sieben Senatskandidaten der Linken noch überrundet. Dabei war man zuversichtlich ins Rennen gegangen. Gewerkschaften, Bauernverbände, Frauen– und Studentengruppen hatten ihre Mitgliedszahlen addiert und danach ihre „Massenbasis“ auf stattliche vier Millionen Wähler geschätzt. Doch offenbar wählte dann nur jeder Dritte dieser Basis auch tatsächlich die Koalition aus mehreren kleinen linken Parteien, darunter auch der Frauenpartei. Die Schlappe traf dann alle gleichermaßen: Weder Bernabe Buscayno, der legendäre ehemalige Guerillakommandant, noch Gabriela Nelia Sancho, Chefin des Frauendachverbandes, schafften den Einzug in den Senat. Massenwirksame Auftritte Nach 40 Jahren erzwungener Abstinenz und selbstgewählten Wahlboykotts wollte die philippinische Linke ihren Freiraum unter der Aquinoregierung erkunden. Einig war man sich zwar, daß Wahlen, die nichts grundlegend ändern, eher unnütze Übungen sind. Dennoch wollte man versu chen, die Kontrolle der alten Elite über den Kongreß wenigstens teilweise zu brechen und das Parlament als Forum für die Forderungen des Volkes zu benutzen. Die Handicaps waren zahlreich: fehlende Erfahrung, organisatorische Mängel, wenig Geld und mangelnde Präsenz in manchen Regionen. Doch die zahlreichen freiwilligen Helfer gaben sich alle Mühe, ihren Rückstand durch persönlichen Einsatz wettzumachen. Tatsächlich war keine der anderen Parteien in der Lage, mehr Menschen als die Linkskoalition zu mobilisieren. Nur wo Corazon Aquino selber auftrat, waren die Plätze noch voller als bei den Live– Auftritten der „glorreichen Sieben“, wie die Promi–Crew der linken Senatskandidaten von der sympathisierenden Presse in Anspielung auf einen bekannten US– Film getauft wurde. Sogar politische Gegner zollten dem Septett öffentlich Respekt. Manuel Malvar, Generalsekretär einer der großen Regierungsparteien, räumte ihnen „gute Chancen“ für den Senat ein. Führende Genossen des Linksbündnisses sagten denn auch den Einzug von mindestens drei der sieben in das Oberhaus des philippinischen Zweikammer– Systems voraus. Guerilla für faire Wahlen Die verbotene Kommunistische Partei, einflußreichstes Mitglied der im Untergrund arbeitende Guerillafrontorganisation NDF, hatte ihren Anhang - anders als bei der Präsidentschaftswahl vor gut einem Jahr - nicht zum Boykott aufgerufen, sondern zur Stimmabgabe ermutigt. Doch die Chancen der Linken im US–gestylten parlamentarischen System sahen sie von vornherein skeptischer als die kandidierende Allianz selbst. Das Mehrparteiensystem sei, so die Kommunisten, eine Farce, solange unter Führung der US–Botschaft eine Verleumdungs– und Terrorkampagne gegen die nationalistischen und progressiven Parteien laufe. Dennoch ließ die Frontorganisation NDF - einschließlich der Kommunisten - nichts unversucht, um zumindest für eine faire Wahl sorgen: Etwaigen Wahlbetrügern und Gewalttätern drohte sie öffentlich: „Jeder, der die Absicht hat, die Ergebnisse zu sbotieren, wird bestraft werden.“ Verhindern konnte auch die Untergrund– NDF das Fiasko der legalen Linken nicht. Zwar zogen die mit ihnen liierten Guerillakämpfer der NPA am Wahltag einzelne, die mit verdächtig dicken Brieftaschen herumliefen, vorübergehend „aus dem Verkehr“. Doch wahlentscheidend waren am Ende nicht Terror und Manipulation, sondern Aquinos immense Popularität. Ihre Ideologie der politischen „Mitte“ wurde weitgehend akzeptiert, der katholische Klerus mischte sich zu ihren Gunsten ein, und das inhaltsarme Medienfeuerwerk unterstützte die Mitte–Rechts–Kandidaten. Den Rest besorgte das Mehrheitswahlrecht, das Newcomern und kleinen Parteien kaum eine Chance läßt. Niederlagen auch in Hochburgen der Linken Fassungslos standen selbst nüchterne Allianzmitglieder wie Fidel Agcaolili, Vorsitzender der legalen Partei PNB, vor den Trümmern ihrer Hoffnungen: „Es ist unglaublich, daß PNB–Kandidaten sogar in Gegenden verloren haben, die als ihre Hochburgen gelten - dort, wo sie geboren und aufgewachsen sind.“ Die Allianz kündigte an, sie werde sich nicht an den Lokalwahlen im kommenden Herbst beteiligen, wenn die Wahlbestimmungen nicht reformiert würden. Die staatliche Wahlkommission müsse künftig vor allem die Wahlausgaben begrenzen und finanzschwache politische Parteien subventionieren. Angesichts der nach wie vor beträchtlichen Betrugsmanöver und zahlreicher politischer Morde will die Linkskoalition jetzt überlegen, ob Wahlen für sie überhaupt eine Form des Kampfes bleiben werden. Nach Auskunft ihres Sprechers Bautista ist die Enttäuschung so groß, daß viele sich jetzt für den bewaffneten Kampf entscheiden werden. Andere trösteten sich mit der Aussicht auf ihr eigentliches Tätigkeitsfeld und skandierten beinahe erleichtert: „UndMorgen wieder auf die Straßen“. Tony Zumel, einer der NDF– Sprecher im Untergrund, gab zu, daß trotz des 18jährigen Guerillakrieges und erheblicher Bemühungen in politischer Bildung und Organisation die Mehrheit der knapp 60 Mio. Filipinos noch nicht erreicht worden sei. Eine Massenbasis von 20 bis 25 Volkes sei nicht genug, besonders, da diese meist auf dem Lande lebe, habe man die wachsende Bedeutung der städtischen Zentren für die öffentliche Meinung zu spät erkannt. Die originelle Konsequenz: „Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln“.