„Wir segeln wieder härter am Wind“

■ Redaktion der Münchner Stadtzeitung kündigt fristlos / Grund für die Kollektivkündigung waren Eingriffe des Verlegers in die redaktionelle Arbeit / Auslöser war eine Kritik des Prince–Konzertes / Reaktion des Verlegers: „Beleidigte Leberwürste“

Aus München Luitgart Koch

Seit gestern ist es Stadtgespräch in Münchens Scene: Knatsch bei der Münchner Stadtzeitung, dem 14tägig erscheinenden Stadtmagazin. Die Redaktion, bestehend aus fünf „festen freien“ Redakteuren, hat am Wochenende geschlossen zum Ersten dieses Monats fristlos gekündigt. Die Medien bis hin zum Privatsender des jüngsten Strauß–Sohns „TV– weißblau“ greifen gierig nach dem Thema, in den leeren Redaktionsräumen an der Münchner Freiheit läuft das Telefon heiß. Der Grund für den Ausstieg der Stadtzeitungsmacher am Produktionswochenende war nicht etwa schlechte Bezahlung. Redakteur Heinz Albrecht (28), der seit 1984 für das Hochglanzmagazin schreibt, lobt den Verleger Arno Hess (42) sogar als „bestzahlendsten Stadtzeitungsverleger Deutschlands“. Die monatliche Pauschale der „Stadtillustrierten– Crew“ lag zwischen 2.000 bis 3.000 Mark. Zur „Kollektivkündigung“ kam es wegen zunehmender Eingriffe in ihre redaktionelle Arbeit und die Produktionsabläufe seitens des Verlegers. Diese Eingriffe in die „innere Pressefreiheit“, die zudem die Qualität des Blattes verschlechtere, wollten die Macher nicht länger hinnehmen. „Das war mit unserer Selbstachtung und unserem Selbstverständnis als Redakteure nicht mehr zu vereinbaren, daß wir zum Schluß nur noch zu Befehlsempfängern degradiert werden sollten“, so Heinz. Auslöser für den Eklat: Herausgeber Hess, der seit Beginn dieses Jahres auch als „Verantwortlicher Redakteur“ im Impressum steht, kippte ohne Vorwarnung eine bereits fertig produzierte Doppelseite Musikkritik. Sie entsprach nicht seinen Vorstellungen, da das Prince– Konzert nicht ausführlich gewürdigt wurde. Ein Gespräch darüber verweigerte er. Verleger und Werbefachmann Arno Hess gibt sich erst mal gelassen und bezeichnet seine ehemaligen Mitarbeiter als „beleidigte Leberwürste“. „Das Ganze ist ein Fußtritt in die Magengrube; eine Machtprobe der Redaktion“, so Hess. In der finanziellen Krise ist der Mitbegründer der jungen Münchner Modemesse „Avantgarde“ und Herausgeber der Münchner Theaterzeitung sicher nicht. Entstanden ist die Münchner Stadtzeitung aus einem Schwabinger Anzeigenblatt in den frühen siebziger Jahren. Später nannte sie sich Popzeitung und berichtete hauptsächlich über Pop–Konzerte. Als die erste bundesdeutsche alternative Stadtzeitung in München, das Blatt, Anfang 1979 aus der Werbeagentur SPP (Scene Press Programm) ausstieg, übernahm die Münchner Stadtzeitung einen Anteil davon. Angst vor dem „schmutzigen Anzeigengeschäft“, wie etwa bei den „Alternativen“, war dem Werbe fachmann Hess von Anfang an fremd. Und während das Blatt im Mai 1984 Konkurs anmelden mußte, ging es mit der Stadtzeitung aufwärts. Noch immer munkelt man in Münchens Szene, daß die Stadtzeitung am Exodus des Blatts nicht ganz unschuldig war und immer noch trauern einige über die „Blattlosen“ Zeiten. Gegen ein „Müslikampfblatt“ wehrt sich aber auch Heinz Albrecht. Fest steht jedoch, daß die Stadtzeitung in ihren Anfängen nicht unbedingt neue Themen aufgriff, wie etwa Münchens berühmt–berüchtigte private Wachtruppe, die „Schwarzen Sheriffs“, die für die „Blattmacher“ bereits abgefeiert waren. Gleichzeitig wehte natürlich auch der Zeitgeist durch die Redaktionsräume. Nicht von ungefähr wurden Mitarbeiter der Stadtzeitung, wie etwa Michael A. Konitzer, von Wiener und Tempo abgeworben. Doch „Hochglanz ist nicht gleich unpolitisch“. Dies stellte die Stadtzeitungs–Crew zunehmend unter Beweis. Ob Volkszählung, WAA oder Anti–Terror–Gesetze, man bezog Stellung. Nicht umsonst stand CSU–Hardliner Gauweiler mit der Stadtzeitung auf Kriegsfuß. Der Redakteurin Sabine Janz (29), die jetzt ebenfalls das Handtuch schmiß, verweigerte der ehemalige Münchner Kreisverwaltungsreferent und fanatische „Saubermann“ jedes Interview. „Wir segeln jetzt wieder härter gegen den Wind“, erklärte Arno Hess. Welcher Kurs dabei eingeschlagen werden soll, scheint jedoch unklar. Das Prince–Konzert jedenfalls soll in der neu erschienen Nummer nicht zu kurz kommen. Fiktive Konzertbesucher schwärmen ausführlich davon. Mit dem Synonymlexikon bewaffnet ging Hess auf Zitatsuche. Seiner Meinung nach ein „Kunstgriff“. Für die Aussteiger „ein journalistischer Stil, der nicht unserer ist“.