: Argentiniens Folter–Generäle haben gesiegt
■ Im argentinischen Abgeordnetenhaus wurde das Gesetz über die Amnestie für Militärs verabschiedet / Vom Brigadegeneral abwärts bleiben alle straffrei / Militär hat mit Befreiungsaktionen gedroht / Die Proteste gegen das Amnestiegesetz fielen bescheiden aus
Aus Montevideo Gaby Weber
Ostern meuterten die argentinischen Militärs, weil sie wegen ihrer Menschenrechtsverbrechen während der Diktatur von 1976 bis 1983 vor Gericht zitiert wurden - Pfingsten ist die Erfüllung ihrer Forderungen amtlich: Am Freitag morgen wurde das ursprüngliche „Gesetz über den geschuldeten Gehorsam“ in erweiterter Form im Abgeordnetenhaus verabschiedet. Künftig bleiben alle Soldaten bis zum Rang eines Brigadegenerals straffrei, selbst wenn sie für Mord und Folterungen während des „Kampfes gegen die Subversion“ verantwortlich waren. Nach Schätzungen von Menschenrechtsgruppen werden damit 250 Offiziere straffrei ausge hen, übrig bleiben etwa 40 Angehörige der höheren Generals– und Admiralsränge. Ausgenommen sind nur Fälle von Kindesentführungen und Vergewaltigungen. Zehn Tage zuvor hatte der Abgeordnete Cesar Jaroslavsky, die rechte Hand von Staatspräsident Alfonsin im Kongreß, auf einer Veranstaltung in Mendoza die 7.000 Teilnehmer beschworen, die „gegenwärtige Realität“ zur Kenntnis zu nehmen. „Sonst sind wir Dummköpfe, die ein weiteres Mal die Truppen marschieren sehen, dieses Mal über die Leichen von tausend Argentiniern.“ Die Regierungspartei stand unter Zeitdruck. Offenes Geheimnis ist, daß die meuternden Militärs Alfonsin den 29. Mai als Frist gesetzt hatten, um eine Amnestie durchzusetzen. Was geschehen würde, falls das Gesetz nicht durchkäme, war im Informationsdienst Informador, der den Militärs nahesteht, zu lesen: Zwar habe man im Moment keinen Staatsstreich vor, da die objektiven Bedingungen dafür nicht gegeben seien. Keine der drei Waffengattungen sei aber be reit, auch nur einen ihrer Männer zu opfern. Man werde Kommandos bilden, um die inhaftierten Militärs aus den Gefängnissen zu befreien. Der Polizei und den Justizbehörden werde man mitteilen, daß Angehörige der Streitkräfte für eine Strafverfolgung dann nicht mehr zur Verfügung stünden. Seit einigen Wochen zirkulierten in Buenos Aires Listen mit den Namen von Oppositionspolitikern, die die Militärs nach dem 29. Mai zum tödlichen Abschuß freigeben wollten. Nummer eins auf dieser Abschußliste war Jose Luis Manzano, Fraktionsführer der Peronisten im Kongreß, der lautstark gegen das Amnestiegesetz Front gemacht hat. Die Offiziere, die in der Woche vor Ostern „das Land an den Rand eines Bürgerkrieges geführt haben“ (Alfonsin), befinden sich alle wohlauf. Oberst Bosch wurde zum Generalinspekteur der Infanterie befördert. 23 Aufständische der Kaserne „Campo de Mayo“ kamen mit einer Woche Arrest davon. Der Anführer der Osterrebellion, Aldo Rico, steht zwar noch unter Arrest, seinen Besuchern präsentiert er sich aber selbstbewußt mit einem 45er Colt auf dem Tisch. Und er rechtfertigt, wie alle anderen Militärs, die Verbrechen während der Militärdiktatur: „Wir haben aus Überzeugung gehandelt, weil der Kampf gegen die Subversion gerecht war und nicht nur, um Befehlen zu gehorchen.“ Doch der Protest gegen die Verabschiedung des Gesetzes mit 8.000 Demonstranten vor dem Abgeordnetenhaus fiel eher bescheiden aus. Resignation hat sich breitgemacht. Das Ansehen des Präsidenten Alfonsin ist stark angeknackst. Sein Wahlkampfversprechen, die Militärs vor Gericht zu stellen, hatte er schon im Dezember mit dem „Schlußpunktgesetz“ gebrochen. Während der Osterrevolte rief er Hunderttausende auf die Straße, leugnete, daß er ein Abkommen mit den Militärs geschlossen hatte, und schickte das Volk zurück: „Geht nach Hause und küßt eure Kinder.“ Doch ernsthafte politische Alternativen sind weder unter der Linken noch unter den oppositionellen Peronisten in Sicht. Siehe Kommentar Seite 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen