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Mann mit Koffer legt Berlin lahm

■ Reagan: „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ / Kein Volksfest / Demos auch am Freitag

Berlin (taz) - Wenn Berlin nicht schon eine Mauer hätte, gestern wäre eine gezogen worden. Der freie Teil der Stadt war vom Morgen bis zum Spätnachmittag zur höchsten Sicherheitszone geworden. Am Kudamm rangelten etwa 1.000 Leute trotz Versammlungsverbots mit der massiv präsenten Polizei, jeder, der auch nur annähernd so aussah, als wolle er Unmut äußern, wurde zur Überprüfung seiner Personalien fortgeführt. Kreuzberg lag lahm, Busse fuhren nicht, die U–Bahnen waren gesperrt. Der gesamte Tiergarten war Fußgängerzone: Stunden vor den Reden Diepgens, Kohls und Reagans und lange Zeit danach konnte man weiträumig um das Brandenburger Tor herum nur laufen. Ein Volksfest, wie es der US– Gesandte Kornblum den Berlinern versprochen hatte, war der fünfstündige Besuch des US–Präsidenten nicht. Selbst bei der Show im alten Flughafen Tempelhof rangierte Sicherheit vor Ausgelassenheit. Einen vollständigen Eindruck vom Reagan–Besuch bekamen nur Radio–Hörer. So volkstümlich Reagan sich mit Hilfe vieler deutscher Sentenzen gab, so schnoddrig waren die Anmerkungen der von unzähligen Überstunden völlig gottergebenen Polizisten und der Berliner vorm Brandenburger Tor. „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“, bekannte Ronald Reagan. Und er erklärte, die Sowjets hätten bei der Blockade vor „Berliner Herz, Berliner Humor und Berliner Schnauze“ kapitulieren müssen. Fortsetzung S. 2 Tagesthema S. 3 Gegen 16 Uhr wurde eine Gruppe von etwa 200 Anti–Reagan–Demonstranten auf dem Tauentzien zwischen Breidscheidplatz und Wittenbergplatz von Polizeiketten eingeschlossen. Als sich außerhalb der Polizeisperre weitere Menschen sammelten, wurden auch diese von der Polizei umzingelt. Etwa um 16.30 Uhr hatte sich auch der äußere Ring geschlossen. Vergeblich riefen die in engen Reihen Untergehakten gegen den Polizeiwall an: „Die Mauer muß weg, die Mauer muß!“ Wenige Minuten später rollten die vergitterten Gefangenenwagen heran. Einen Steinwurf entfernt bildete sich ein neuer Pulk und zog bis zum Kurfürstendamm. Vom Europa–Center regnete es zur gleichen Zeit Flugblätter: „Null–Rüstung im Weltraum“, darauf ein Siegel mit dem Berliner–Bären. Der Ausgang der Ereignisse war bis Redaktionsschluß ungewiß.

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