P O R T R A I T Ein schillernder Guerillaführer

■ Velupillia Prabakaran, Chef der „Liberation Tigers of Tamil Eelam“, ist die umstrittenste Figur des tamilischen Widerstandes: „Befreier des Volkes“ oder gewissenloser Mörder?

Die Geschichte der „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) ist eng verbunden mit der Person von Velupillai Prabakaran, dem derzeit meistgesuchten Mann Sri Lankas. Für die Regierung ist er ein „skrupelloser Terrorist“, während viele Tamilen in ihm den Helden sehen, den „Befreier des Volkes vor der Unterdrückung durch die singhalesische Mehrheitsbevölkerung“. Mit Sicherheit ist er einer der Hauptaktivisten im Kampf für einen unabhängigen Tamilenstaat. Für die Mitglieder und Anhänger der mit der LTTE konkurrierenden militanten tamilischen Organisationen wiederum ist er ein „gewissenloser Mörder“, ein Diktator, der über Leichen geht, um seine persönlichen Machtambitionen zu verwirklichen. Wohl keine andere Persönlichkeit im tamilischen Lager wird so kontrovers diskutiert. Prahakaran, die sagenumwobene Figur, ist Führer der LTTE, der derzeit militärisch stärksten tamilischen Rebellenorganisation. Er wurde am 26. November 1954 im Sternzeichen des „Schützen“ in der nordlankanischen Stadt Velvettuturai geboren. Seine Familie gehört der Karaiyar–Kaste an. Einer Fischerkaste, die den Küstenstreifen längs der Halbinsel Jaffna dominiert. Die Mehrheit der Tamilen hat ihn nie gesehen, da er sich während der letzten Jahre meist im benachbarten Südindien aufgehalten hat, von wo aus er die Aktionen der LTTE koordinierte. Erst seit Anfang 1987 lebt er wieder auf der Halbinsel und wird dort - im Rahmen der Großoffensive der Regierungstruppen - wie kein anderer gesucht. In vielen Häusern Jaffnas hängt sein Foto neben Abbildungen von Hindu–Gottheiten oder Bildern von Mahatma Gandhi. Er ist pressescheu, läßt Ziele und Strategien seiner Organisation lieber vom redegewandteren Sprecher der LTTE, Anton Balasingham, verkünden. Wenn er sich einmal den Fotografen stellt, wirken die Bilder martialisch und gekünstelt: im Dschungel–Khaki–Outfit, beflankt von schwerbewaffneten Bodyguards, als wolle er mit allen Mitteln den Eindruck von Stärke, Härte und Autorität vermitteln. „Thambi“ - jüngerer Bruder - wird der 32jährige Vater von zwei Kindern in Insiderkreisen genannt, obwohl er vom Alter her schon Vater vieler Kämpfer der LTTE sein könnte. Wie so vieles andere wird ihm nachgesagt, er habe sich schon zu Jugendzeiten mit den militärischen Strategien Alexander des Großen, Napoleon Bonapartes und des legendären indischen Freiheitskämpfers Subash Chandra Bose beschäftigt. Als junger Mann mit College–Abschluß begann er seine politischen Aktivitäten in der „Manavar Peravai“, der Jugendorganisation einer gemäßigten Tamilenpartei, deren Parlamentarismus „Thambi“ schon bald nicht mehr ansprach. Die Partei - so fand er - setzte sich nicht konsequent genug für die Rechte der tamilischen Bevölkerung ein. 1972 gründete er deshalb mit Freunden die „Tamil New Tigers“ (TNT). Klare politische Ziele hatte er damals noch nicht und von der Forderung nach einem unabhängigen Tamilenstaat war die Gruppe weit entfernt. Die kleine Truppe machte sich daran, durch Diebstähle, Überfälle und Schmuggelaktivitäten erst einmal die Vereinskasse aufzubessern, um so eine finanzielle Grundlage für den zu beginnenden Kampf sicherzustellen. Bevor die Hand des Gesetzes „Thambi“ ergreifen konnte, setzte sich dieser erstmals über die „Palkstrait“, die schmale Wasserstraße zwischen Indien und Sri Lanka, nach Indien ab. Später wurde der südindische Bundesstaat Tamil Nadu seine zweite Heimat. Am 27.7.85 war Prabakaran an der ersten öffentlichen, politisch motivierten Exekution in Jaffna beteiligt, als er und drei seiner Weggefährten den damaligen tamilischen Bürgermeister Jaffnas, Alfred Duraiyappah, erschossen. Duraiyappah war Mitglied der damals regierenden „Sri Lanka Freedom Party“ (SLFP) unter Frau Bandaranaike, und ihm wurde vorgeworfen, die tamilische Sache verraten zu haben und als „Kollaborateur eines tamilenfeindlichen Regimes“ zu fungieren. Zu dieser Zeit führte die wachsende Unzufriedenheit vieler Tamilen mit der Regierung erstmals zu einer Art Heldenverehrung gegenüber den Tätern. Die TNT gewann Unterstützung bei den tamilischen Jugendlichen. Mehrere große Banküberfälle wurden durchgeführt - Prabakaran war meist dabei. Um sich ein „Robin–Hood–Image“ aufzubauen, stellte er das Geld - abgesehen von Waffenkäufen - für kleinbäuerliche Projekte zur Verfügung. 1976 gingen aus den „Tamil New Tigers“ die „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ hervor. Prabakaran wurde Kopf eines „Zentralkomitees“ und „Oberbefehlshaber“ über den militärischen Flügel der Bewegung, die jetzt „Tamil Eelam“, den unabhängigen Tamilenstaat als Ziel ihrer Aktionen definierte. Aber schon bald nach Gründung der LTTE begann die Zeit der internen Macht– und Flügelkämpfe, begann die Profilierungssucht Prabakarans neue Blüten zu treiben. Wer seinem Machtstreben im Wege stand, wurde kurzerhand ausgeschaltet. Viel geschrieben und spekuliert wurde über die politische Ausrichtung Prabakarans und seiner LTTE. So soll er angeblich durch eine militärische Ausbildung in Kuba zu einem Verfechter der Strategie von Fidel Castros ehemaliger Guerillabewegung geworden sein. Für viele Grund genug, ihn zu einem Marxisten hochzustilisieren (oder herabzuwürdigen) und seine Organisation als „marxistisch orientiert“ zu bezeichnen. Doch dies ist wahrscheinlich genauso Fiktion wie die Behauptung böser Zungen, Prabakaran habe während seines langen Exilaufenthaltes in Indien zu viele Filme von Clint Eastwood gesehen und dies habe schon ausgereicht, um aus ihm einen „waffenschwingenden Revolutionär“ zu machen. Eines kann jedoch nicht geleugnet werden: Er und seine LTTE haben während der letzten Jahre vielen tamilischen Bürgern der Halbinsel Jaffna zumindest zeitweise ein Gefühl der Sicherheit vor Übergriffen der staatlichen Sicherheitskräfte gegeben. Walter Keller