piwik no script img

Waldheim in zwielichtiger Popularität

■ Österreichs Präsident auf offizieller Visite in Jordanien / Die seltsamen Gemeinsamkeiten „kleinerer Staaten“ / Kein Wort der Kritik an Waldheims Vergangenheit / Zum Kronzeugen einer antiisraelischen Politik aufgebaut

Aus Wien Rudolf Graf

„Wir demonstrieren unsere Wertschätzung für Ihren Patriotismus, ihre Redlichkeit und Weisheit, die von Ihrem großen Volk völlig anerkannt werden, das Sie zu seinem Präsidenten gewählt hat als Bestätigung, daß es festhält an den vortrefflichen menschlichen Werten, für die Sie stehen.“ Leider hatte der jordanische König Hussein diesen Satz zu Beginn seiner Tischrede im königlichen Palast nicht als einen ironischen Exkurs zum Opportunismus des österrei chischen Bundespräsidenten Waldheim oder gar als Kritik am immer unverhohlener auftauchenden Antisemitismus in Österreich gedacht. Der König meinte es ernst. Das Motto: Wird Kritik aus Israel oder von jüdischen Organisationen an einem Politiker geübt, dann kann es sich ja bei diesem Menschen nur um einen Vorkämpfer für Menschenrechte und Gewaltfreiheit handeln. Für den ehemaligen Wehrmachtsoffizier bei seinem ersten Auslandsbesuch, zu dem er als Präsident eingeladen worden war, ein Auftakt nach Maß. In der jordanischen Presse wird Kritik an Waldheim als jüdische Verschwörung und Versuch gewertet, Friedensfreunde einzuschüchtern. Außenminister Alois Mock ist da differenzierter, Kritik an Waldheim aus den USA könne möglicherweise auch aus dessen Eintreten als UN–Generalsekretär für die Länder der Dritten Welt gewertet werden. Natürlich könne es auch an dem Lobbysystema der US–Innenpolitik liegen. Also doch am Weltjudentum. Ein Abrücken oder gar Kritik an den unverhohlen antijüdischen Kommentaren der jordanischen Presse bleiben die Mitglieder der österreichischen Delegation schuldig. Waldheim vermeidet es in vornehmer Zurückhaltung sogar, in seiner Antwortrede auf die königliche Begrüßung, das Wort Israel in den Mund zu nehmen, wobei er die legitimen Rechte der Palästinenser betont und nur von besetzten Gebieten spricht, ohne diese zu definieren. Und genau hier erinnert er an einen Serientäter. Denn genauso wie er das Umfeld seiner Wehrmachtstätigkeit angeblich nicht wahrgenommen hat, geht er auch über die Zusammenhänge dieser Reise hinweg. Denn klärende Worte aus den Reihen der österreichischen Delegation über den Zweiten Weltkrieg, die Verbrechen des deutschen Faschismus, die ja den Boden für die Kritik an dem ehemaligen Offizier bilden, unterbleiben. Die Debatte über eine Mitschuld von Offizieren, selbst wenn diese nicht aktive Kriegsverbrecher waren, hätte Einiges klären können. Der umstrittene Präsident bemüht sich bei dem Besuch, an seine Zeit als UN–Generalsekretär anzuknüpfen. Ganz offensichtlich genießt er, daß in dem Königreich am Jordan keine kritischen Stimmen laut werden können. So wird über die Vorwürfe gegen Waldheim bei den Treffen der Delegationen auch nicht gesprochen. Die jordanische Führung und die österreichische Delegation werden nicht müde, den bilateralen Aspekt des Besuchs in den Vordergrund zu stellen: Beide Länder seien geradezu natürliche Bündnispartner, da sie als kleine Staaten an exponierten Brennpunkten des Weltgeschehens stünden, Österreich in Europa an der Demarkationslinie zwischen Ost und West und Jordanien im Zentrum des Nahostkonfliktes. Beide Länder hätten nur beschränkte Möglichkeiten auf die Konflikte einzuwirken. Sie seien an echter Entspannung und friedlicher Lösung der Konflikte interessiert. Genauso wie Waldheim Wehrmachtsberichte mit verschlossenen Augen unterschrieben haben muß, da er sich heute ja nicht mehr genau daran erinnern kann, wird er sich künftig wohl auch nicht mehr der Kommentare, die seine Reise begleitet haben, erinnern können. Dabei ist das jordanische Kalkül klar. Waldheim wird zum Kronzeugen einer antiisraelischen Politik aufgebaut. Es ist gar nicht so ernst gemeint, wird aber gleichwohl Wirkung in anderen arabischen Staaten, die ja ebenfalls dem ehemaligen Wehrmachtsoffizier zu weiteren Auslandsaufenthalten verhelfen wollen, zeigen. Die Feinheit der Planung des Waldheim–Besuches wird darin deutlich, daß sich das vermeintliche Opfer auch am heutigen Samstag in der arabischen Welt aufhält, an dem der Vertreibung der Kreuzritter durch Saladin gedacht wird. Pikant, da in diesem Ereignis das historische Vorbild für ein mögliches Schicksal Israels gesehen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen