: Prawda ohne Glasnost
■ Weizsäcker–Rede in wichtigen Passagen zensiert
Moskau (dpa) - Die sowjetische Parteizeitung Prawda hat die Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Moskau am Dienstag mit erheblichen Kürzungen in entscheidenden Passagen abgedruckt. Das Blatt wies nicht auf die Auslassungen im Text hin. Nicht veröffentlicht wurden von der Zeitung die Äußerungen Richard von Weizsäckers zur Frage der Sowjetdeutschen. Er hatte gesagt, es sei ein Zeichen des Verständigungswillens, wenn die sowjetische Regierung bei der Ausreise für deutschstämmige Sowjetbürger „zunehmend dem humanitären Anliegen Gehör schenken“ werde. Die ausführlichen Worte von Weizsäckers zur Einheit der deutschen Nation, die sich in der Freiheit ihrer Menschen erfüllen müsse, zog die Prawda zu dem Satz zusammen: „In diesem Zusammenhang wiederholte der Präsident die bekannten Standpunkte der Bundesrepublik Deutschland zur Frage des sogenannten Schicksals der Nation.“ Ein Zitat des jungen Karl Marx, (“Kein Mensch bekämpft die Freiheit; er bekämpft höchstens die Freiheit des anderen“), ließ die Zeitung ebenso aus wie die von Weizsäcker wiedergegebene Empfehlung Immanuel Kants, das gegenseitige „Besuchsrecht“ sei der höchste Ausdruck des Friedenswillens der Völker. Dem Zensurstift nicht zum Opfer fiel die Forderung von Weizsäckers nach einem vollständigen Rückzug sowjetischer Truppen aus Afghanistan.
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