: Deutschlanddebatte wiederbelebt
■ Auf dem Deutschlandpolitischen Kongreß der CSU konnte wachsendes Interesse an der deutschen Wiedervereinigung konstatiert werden / Auch Grüne und SPD mischten in der Debatte mit
Berlin (ap/taz) - Politiker von der CSU bis zu den Grünen haben sich am Wochenende für mehr Realitätssinn bei der Diskussion um die deutsche Wiedervereinigung ausgesprochen. Gleichzeitig konnte die CSU auf ihrem Deutschlandpolitischen Kongreß in München einen Erfolg für sich verbuchen: „Das Thema ist wieder da“, brachte es Landesgruppenchef Theo Waigel triumphierend auf den Punkt. Nachdem jahrelang mangels Interesse und politischer Perspektive die Wiedervereinigung bestenfalls noch Thema für Stammtische der CDU– eigenen Stahlhelmfraktion war, beschäftigt es im Sommer 87 die politische Öffentlichkeit. Wai gels Parteikollege Georg Tandler dämpfte zwar auf der Tagung in München den Optimismus und warnte vor übertriebenen Hoffnungen. Eine Wiedervereinigung würde lediglich die Grenzlinie zwischen den Machtblöcken verschieben, behauptete er. Die Ost– West–Spannungen, deren Folge die Teilung sei, wären damit keineswegs überwunden. Waigels These widersprach er damit aber nicht. Der innerdeutsche Experte der SPD, Hans Büchler, entgegnete, daß der Unsinn, der mit dem Wiedervereinigungsgerede betrieben werde, die Menschen in Ost und West verunsichere. Auch die Grünen lieferten am Wochenende ihren Beitrag zur deutsch landpolitischen Debatte. Waltraud Schoppe bewertete am Sonntag in einem Rundfunkinterview die Verminderung des Devisenumtausches für DDR–Bürger auf 15 Mark als Abbau der Freizügigkeit auf kaltem Wege. Gleichzeitg forderte sie die Anerkennung der deutschen Teilung als Voraussetzung für eine friedliche Außenpolitik. Sie sprach sich dafür aus, Ost–Berlin als Hauptstadt der DDR anzuerkennen und West– Berlin gleichzeitig juristisch und politisch an die Bundesrepublik zu binden. Eine feste Perspektive müßte darüber hinaus sein, die Mauer abzureißen und diesen Abriß vertraglich abzusichern, meinte Frau Schoppe. Ihr Parteikollege Otto Schily befand in einem anderen Interview, daß man nach neuen Formen suchen müsse, „bei der wir uns von der Besessenheit trennen, daß man Politik immer nur im Rahmen solcher Einheitsstaaten sich auszudenken versteht“. Er fuhr fort: „Niemand wird bestreiten, daß es ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen gibt, daß es so etwas gibt wie eine deutsche Kulturnation. Aber wo steht geschrieben, daß sich das immer in einer Form staatlicher Einheit ausdrücken muß?“ Die Bundesregierung solle mit ihrer Ostpolitik versuchen, „in Richtung einer Auflösung der Blöcke zu gehen“. mtm
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