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AWO Bayern läßt Jugendwohnheim räumen

■ Mit schikanösen Maßnahmen will sich die Arbeiterwohlfahrt in München der letzten Bewohner eines Wohnheims für deutsche und ausländische Jugendliche entledigen / Donnerstag gerichtlich angeordnete Räumung / Lukratives Seniorenwohnheim soll entstehen

Aus München Albrecht Heinz

Ein Abrißdrama sozialdemokratischer Art spielt sich seit rund einem halben Jahr im Münchner Stadtteil Laim ab, wo derzeit noch zwölf Jungendliche in einem völlig verwahrlosten Wohnheim auf neue Unterkünfte warten. Jahrelang hatte das Wohnheim der beyerischen Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Von–der– Pfordten–Straße 44 sogar Modellcharakter: In dem Haus wohnten bis zu 60 Lehrlinge, Zivildienstleistende, jugendliche Ausreißer, straffällig gewordene Jugendliche und Ausländer. Das Gemeinschaftsleben wurde in eigener Regie gestaltet, eine Sozi8alarbeiterin sollte helfen, auftretende Probleme einvernehmlich zu lösen. Seit Ende der 70er Jahre allerdings ließ die Arbeiterwohlfahrt das 1955 gebaute Haus systematisch verkommen: Defekte Fensterscheiben wurden mit Holzplatten „repariert“, die Duschwannen sind gesplittert und stellen eine erhebliche Verletzungsgefahr dar, zahlreiche Innenwände sind von prächtigen Schimmelkulturen verziert, und die Abflußrohre der Toiletten sind soweit verengt, daß eine normale Benutzung kaum mehr möglich ist. Die Absichten der AWO sind kein Geheimnis: Auf dem gleichen Grundstück wurde bereits ein Altersheim abgerissen. In Kürze soll auch das Jugendwohnheim fallen und Platz für ein modernes Seniorenheim und Pflegeplätze für behinderte Jugendliche machen. Die stadtnahe und zugleich ruhige Lage weist das Gelände als hervorragendes Spekulationsobjekt aus - Altersheime in vergleichbaren Lagen werfen erstklassige Gewinne ab. Ein Großteil der einst 60 Bewohner ist längst ausgezogen, und das letzte aufrechte Häuflein, überwiegend Ausländer, Punks und Vorbestrafte, wohnt nur noh aus purer Not in den nach normalen Maßstäben unbewohnbaren Räumen. Seitdem die AWO die Zimmer zum 31. März gekündigt hat, wird Tag und Nacht das Anwesen von Wachmännern eines Sicherheitsdienstes überwacht, die - so die AWO - „eine Besetzung“ verhindern sollen. diese mit Schußwaffen und teilweise auch scharfen Hunden ausgerüsteten oft angetrunkenen Wächter scheinen aber in erster Linie den Auftrag zu haben, die Bewohner zu terrorisieren. Abends mußten sich die Bewohner zeitweise ausweisen, um in ihre Zimmer zu kommen, Besuchern wurde der Zutritt verwehrt, Frauen beklagten sich über Belästigungen unter der Dusche, und mitten in der Nacht sind die Bewohner aus dem Schlaf gerissen worden. Auch die Gerichte befassten sich mit den Vorgängen: Nachdem die AWO Anfang April gegen acht der Bewohner Räumungsklage erlassen hatte, da diese angesichts des erbärmlichen Zustands ihrer Behausungen keine Miete mehr bezahlt hatten, kam es zum Vergleich: die Mietrückstände sollten erlassen werden, dafür erklärten sich die Bewohner bereit, bis zum 25. Mai ihre Zimmer zu räumen - allerdings unter der Voraussetzung, daß die Stadt oder die AWO bis dahin angemessenen Ersatzwohnraum stellen kann. Heute lebt neben den zwölf Bewohnern auch noch die alte Putzfrau in dem Abbruchhaus, die sich in einem total verschimmelten Kellerloch diverse Krankheiten zugezogen hat. Als am vergangenen Freitag die Landtagsabgeordneten der bayerischen Grünen zum Ortstermin geladen hatten, schien auch das Problem der letzten Mieter gelöst. Die AWO habe im nahen Fürstenfeldbruck bereits ein 7–Zimmer–Haus angemietet, das umgehend bezogen werden könne. Eitel Freude und Sonnenschein nach vielen hitzigen Wortgefechten? Nach dem Wochenende sieht die Situation wieder anders aus: weder hat die Arbeiterwohlfahrt wirklich das betreffende Haus gemietet, noch ist der Hausbesitzer willens, es zur Verfügung zu stellen. So wohnen die letzten Zwölf nach wie vor unter miserablen Bedingungen: schon seit Wochen gibt es kein warmes Wasser mehr. Auch die Versorgung mit kaltem Wasser und Strom fällt des öfteren aus, und erst durch eine gerichtliche Verfügung konnte erreicht werden, daß im Haus wieder Feuerlöscher vorhanden sind. Höhepunkt der dubiosen Vorgänge war ein Polizeieinsatz am Morgen des 25. Mai. Es gelte, eine „drohende Hausbesetzung“ zu verhindern, erklärte Einsatzleiter „Müller“, der unter diesem Namen jedoch beim zuständigen Revier nicht bekannt ist. In Begleitung dieses Einsatzleiters befand sich auch AWO– Landesgeschäftsführerin Christa Blum, die zugibt, daß sie der Bitte der Polizei, in dem leerstehenden Gebäude eine Übung abhalten zu dürfen, gerne entsprochen hätte. So warten die Bewohner jetzt den kommenden Donnerstag ab, an dem laut Beschluß des Gerichtsvollziehers die zwangsweise Räumung durchgeführt werden soll - was aus juristischer Sicht jedoch solange nicht möglich ist, wie es die AWO nicht geschafft hat, eine neue Unterkunft zu beschaffen.

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