Sowjetdelegation zu Besuch in Israel

■ Erster offizieller Besuch seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen vor zwanzig Jahren / „Keine politische Funktion“

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Eine am Sonntag in Israel eingetroffene sowjetische Delegation hat gestern mit Beamten des Außenministeriums in Jerusalem Gespräche geführt. Über den Inhalt wurde zunächst nichts bekannt. Offiziell gibt sich die erste sowjetische Delegation in Israel seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern vor zwanzig Jahren betont unpolitisch. Die Gruppe unter Führung von Gregori Antipow, dem stellvertretenden Leiter der Konsularabteilung im sowjetischen Außenministerium, will sich um das Vermögen der russisch–orthodoxen Kirche und Paßangelegenheiten sowjetischer Bürger kümmern, etwa hundert Personen, die meist in Kirchen oder Klöstern beschäftigt sind. Antipow wies darauf hin, alle Anspielungen in israelischen Medien über eine politische Funktion seiner Mission seien reine Spekulation. Eine Einladung zu Begegnungen mit politischen Führern würde er jedoch annehmen. Befragt nach den Chancen für eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, entgegnete er, zunächst müßte es im Rahmen einer internationalen Friedenskonferenz zu einer Normalisierung im Nahen Osten kommen. Auf die Frage von israelischen Journalisten nach der Auswanderungszahl sowjetischer Juden erklärte Antipow, es stünde ihnen frei auszuwandern, wenn sie es wünschten, vorrausgesetzt, sie fielen nicht unter Sicherheits– oder andere Beschränkungen, die für alle sowjetischen Bürger Gültigkeit hätten. Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und eine großzügigere Regelung der Ausreise sowjetischer Juden waren von israelischer Seite wiederholt als Bedingungen für eine Teilnahme der Sowjetunion an einer internationalen Konferenz formuliert worden. Die Delegation wird sich drei Monate in Israel aufhalten. In Kreisen des Außenministeriums hieß es, Israel werde möglicherweise das Ersuchen stellen, ebenfalls für eine gewisse Zeit eine Delegation nach Moskau zu schicken, obwohl es in der Sowjetunion weder israelisches Vermögen noch Staatsbürger gibt, die registriert werden müssen. Die israelische Presse spekulierte am Dienstag, ob die UdSSR demnächst eine „Interessen–Sektion“ an der finnischen Botschaft einrichten wird, die derzeit die sowjetischen Interessen in Israel wahrnimmt. Der Besuch der Delegation wird in Israel als ein Wendepunkt angesehen, auch wenn die Sowjets die Bedeutung ihres Aufenthaltes herunterspielen und dies bislang vom Außenministerium in Jerusalem respektiert wurde.