: Nicaragua: die Reagan–Regierung überleben
■ Morgen feiert die sandinistische Revolution ihren achten Jahrestag / Das Jubiläum steht im Zeichen der Austerität / Die Sandinisten kämpfen gegen außenpolitische Isolierung an / Mit Betteldiplomatie versucht man, die Finanzlöcher zu stopfen
Aus Managua Ralf Leonhard
Der achte Jahrestag der sandinistischen Revolution wird am 19. Juli in relativ bescheidenem Rahmen in der Kaffeemetropole Matagalpa, 150 km nördlich von Managua, begangen. Mit extremen Sicherheitsvorkehrungen, aber ohne viel Prominenz aus dem Ausland. Ein Rahmen, der den Umständen durchaus angemessen ist. Denn die Nicaraguaner bekommen in diesem Jahr die Folgen der Krise und des endlosen Krieges gegen Reagans „freedom fighters“ voll zu spüren. „Daß die Revolution acht Jahre überlebt hat, ist ihr größtes Verdienst“, betonte Revolutionskommandant Bayardo Arce, ein Mann, der nicht zum Understatement neigt, vor wenigen Tagen. Die Revolution als Selbstzweck - keine trostreiche Aussicht für die vielgeprüften Erben Sandinos. Um so erfreulicher ist für Nicaragua die Gewißheit, daß Ronald Reagan, der es als seine persönliche Mission betrachtet, der Sache der Konterrevolution zum Sieg zu verhelfen, seiner endgültigen Pensionierung entgegenschreitet. „Die Zielgerade der Reagan–Administration beginnt“, frohlockt Bayardo Arce. Gleichzeitig erwartet man in Managua in der letzten Phase des durch die Iran–Contra–Affaire reichlich angeschlagenen US– Präsidenten neue Offensiven an allen Fronten. Nicaragua soll geschwächt und isoliert werden. Das Nahziel der Regierung in Managua heißt also: Reagan überleben. In diesem Kontext wird verständlich, warum die Sandinisten mit solcher Verbissenheit für den zentralamerikanischen Präsidenten gipfel kämpfen, der Anfang August in Guatemala steigen soll. „Die Reagan–Regierung fürchtet, daß ein Treffen der Präsidenten ihrer Forderung nach weiteren 105 Millionen Dollar für die Konterrevolution schaden könnte“, glaubt Victor Hugo Tinoco, Nicaraguas stellvertretender Außenminister. Die Erwartungen an den Gipfel in Guatemala, wo der Friedensplan des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias diskutiert werden soll, sind auf allen Seiten gering. Der Plan sieht in den von Konflikten betroffenen Ländern - Nicaragua, El Salvador und Guatemala - allseitigen Waffenstillstand und Dialog mit der zivilen Opposition vor. Anders als die Contadora–Akte geht der Arias– Plan auf ausländische Militärbasen und -berater sowie gemeinsame Manöver nicht ein. Für Nicaragua ist das Dokument als Verhandlungsbasis akzeptabel, da die Contras in den Dialog nicht einbezogen werden sollen. Aus demselben Grund wird er von der Reagan– Regierung abgelehnt. Daher wäre es für Nicaragua schon ein Erfolg, wenn das Treffen, das zuletzt von Napoleon Duarte torpediert wurde, überhaupt stattfindet. Es wäre das erste Treffen der fünf Staatsoberhäupter der Region seit dem historischen Gipfel von Esquipulas im Mai 1986. Gleichzeitig versuchen die Sandinisten die Contadora–Initiative wiederzubeleben, die nach einer ergebnislosen Rundreise der A Uruguay, Peru) Überlebenshilfe zu mobilisieren. Mexiko und Venezuela, die 1982 bzw. 1984 ihre Öllieferungen an Nicaragua wegen Zahlungsverzugs eingestellt haben, wollen die Treibstofflücke schließen helfen. Argentinien hat Weizenschenkungen in Aussicht gestellt. Wenngleich die Abhängigkeit Nicaraguas von der Sowjetunion von Jahr zu Jahr wächst, garantiert die Wirtschaftshilfe der sozialistischen Staaten keineswegs das Überleben der Revolution. Mit mühsamer Betteldiplomatie versuchen die Sandinisten, die Finanzierungslöcher zu stopfen, die durch die Kürzungen der Finanzhilfe an Nicaragua durch die meisten westeuropäischen Staaten in den letzten Jahren entstanden sind. So hat Vizepräsident Sergio Ramirez gerade eine Tour durch den Maghreb absolviert, um in Baghdad, Tripolis und Algier um Öl und Wirtschaftshilfe anzuklopfen. China und Nordkorea, aber auch westliche Exoten wie Australien gehören zu den Ländern, die Nicaragua helfen zu überleben.
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