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Teheran/Paris: Eine Krise a la iranienne

■ Mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Iran zieht Frankreich einen Schlußstrich unter die Bemühungen um eine Normalisierung / Teheran schürte Konflikt mit Blick auf geplante UNO–Resolution

Von Beate Seel

Berlin (taz) - Mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Iran hat die französische Regierung zunächst das letzte Wort in einem zweiwöchigen Konflikt behalten, der allem Anschein nach sorgfältig von der Teheraner Führung geplant worden ist. Ausgangspunkt der Krise war die Absicht der Pariser Ermittlungsbehörden, den Dolmetscher Wahid Gordji, der als zweiter Mann der iranischen Botschaft in Paris gilt, im Zusammenhang mit einer Serie von Sprengstoffanschlägen im letzten Herbst als Zeuge zu vernehmen. Er soll Verbindung zu mindestens einem der mutmaßlichen Attentäter gehabt haben. Verlautbarungen zufolge soll er vom Außenministerium vorgewarnt worden sein, um Spannungen zwischen beiden Ländern zu vermeiden, ehe die Zeugenvorladung herausging. Windelweiche Dementis waren nicht dazu angetan, diese Mutmaßungen zu entkräften. Doch Gordji kehrte keineswegs, wie man hätte erwarten können, Frankreich den Rücken, sondern verschwand zunächst von der Bildfläche, um überraschend in seiner Funktion als Dolmetscher auf einer Pressekonferenz im umstellten Botschaftsgebäude wieder aufzutauchen. Der allmählichen Steigerung des Konflikts bis zum Teheraner Ultimatum vom Donnerstag scheint ein präziser Zeitplan seitens der iranischen Regierung zugrundezuliegen. Die Zuspitzung am Freitag erfolgte, als die 15 Mit glieder des Weltsicherheitsrates letzte Beratungen über eine Resolution zum Golfkrieg abhielten, die die iranische Forderung nach einer Verurteilung des Irak als Aggressor nicht berücksichtigt. Be zeichnendes Detail: Seit dem 1. Juli führt Frankreich turnusmäßig den Vorsitz im UN–Sicherheitsrat. Indem sie die Spannung mit der Pariser Regierung hochgeschraubt haben, haben die Macht haber in Teheran beizeiten für zahlreiche Beispiele gesorgt, mit denen sie nach der Verabschiedung der Resolution die grundsätzlich iran–feindliche französische Haltung belegen können. In dieses Kalkül würde es durchaus passen, wenn Gordji im Falle einer Vorwarnung französischer Stellen auf Anweisung aus Teheran dafür sorgte, daß der Konflikt Paris–Teheran überhaupt erst aufbrach - ganz im Gegensatz zu der Intention der Behörden. Die Pariser Regierung hatte sich seit dem Wahlsieg der Rechten im März 1986 redlich um eine Normalisierung der Beziehungen zu Iran bemüht. Sie erfüllte zwei Forderungen der Teheraner Machthaber: die Ausweisung des iranischen Oppositionsführers Massoud Radjawi, und die Rückzahlung eines Kredits von einer Milliarde Dollar. Dies führte zur Freilassung von sechs französischen Geiseln im Libanon. Doch zu einem Nachgeben in der Frage der französischen Waffenlieferungen an den Kriegsgegner Irak, die dritte und die wichtigste Bedingung der Iraner, war die Regierung nicht bereit. Mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Teheran hat die französische Regierung zwar innenpolitisch Härte demonstriert, sich andererseits aber auch neue Probleme eingehandelt. Zunächst einmal ist die Frage, ob die im Iran arbeitenden Franzosen das Land ungehindert werden verlassen können oder gegen Gordji „ausgetauscht“ werden. Zum zweiten steigt das Risiko neuer anti–französischer Aktionen pro– iranischer Gruppen, sowohl in Frankreich als auch im Libanon. Den entführten Franzosen schließlich steht nun eine neue Periode der Unsicherheit und Hoffnungslosigkeit bevor.

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