piwik no script img

UdSSR: Offenheit fürs Defensive

■ Nach einer Gesprächsreise sieht der SPD–Abgeordnete von Bülow in militärstrategischen Fragen eine Änderung um „nahezu 180 Grad“ / Bülow kritisiert Wörners Unbeweglichkeit

Aus Bonn Ursel Sieber

In der sowjetischen Führung wächst die Offenheit für „die Philosophie der defensiven Verteidigung und der strukturellen Nicht– Angriffsfähigkeit“. Diesen Eindruck vermittelte gestern der SPD–Abgeordnete Andreas von Bülow, nachdem er von einer längeren Gesprächsreise aus der Sowjetunion, Polen und der DDR nach Bonn zurückgekehrt war. Von Bülow sprach geradezu euphorisch von einem sich abzeichnenden Wandel: In Fragen der Strategie und Militärstrategie habe sich die Einstellung in der sowjetischen Führung „nahezu um 180 Grad“ verändert. Während hohe Militärs und Politiker früher auf Kritik an der östlichen Militärdoktrin „muffig ablehnend“ reagiert hätten, werde heute in Moskau, Warschau und Ostberlin „gleichlautend“ betont, daß die alte Vorwärtsverteidigung nicht mehr gültig sei und für die Zukunft durch „eine hinreichende defensive Verteidigung“ ersetzt würde. Dabei werde ausdrücklich auf SPD–Vorstellungen Bezug genommen. Von Bülow zitierte einen „Gesprächspartner“ aus der Friedrich–Engels–Akademie (Dresden), wonach zivile Berater und die Militärhierarchie angewiesen worden seien, die neue Strategie „in Struktur und Bewaffnung umzusetzen“. Dabei gebe es auch Überlegungen, die Zahl der Panzerverbände „drastisch“ herunterzuschrauben. Das Problem seien allerdings die „taktischen Atomwaffen“: Aus östlicher Sicht liege es nahe, „die zahlenmäßige konventionelle Überlegenheit erst dann herunterzurüsten“, wenn gleichzeitig diese Waffen abgeschafft würden. Bülow kritisierte, daß die Hardthöhe die Verlängerung der Wehrpflicht einführe und über „Frauen zum Bund“ nachdenke, statt die Signale aus der Sowjetunion aufzugreifen. Der SPD–Politiker Erwin Horn äußerte nach einer USA– Reise, die 48–Stunden–Vorwarnzeit der NATO, auf deren Grundlage solche Maßnahmen diskutiert würden, sei „geradezu absurd“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen