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Maulkorb für den Esel des Gesetzes

■ In Großbritannien geht die Zensur–Farce um die Memoiren des Ex–Agenten Peter Wright in den nächsten Akt - doch das verbotene Werk ist trotzdem nahe der Autobahn in London erhältlich

Aus London Rolf Paasch

Ein Buch geht um in Großbritannien, aber die Regierung Thatcher will den Subjekten Ihrer Majestät weiterhin das Lesevergnügen verbieten. Der „Master of the Rolls“ hat gestern mittag erneut die einstweilige Verfügung gegen zwei Zeitungen bestätigt, die eine Wiedergabe der umstrittenen Geheimdienst–Memoiren des nach Australien ausgewanderten „Agentenjägers“ Peter Wright untersagt. Die Phase, während der auch die britischen Bürger Gelegenheit hatten, Näheres über die kriminellen Aktivitäten ihres Geheimdien stes in den siebziger er Jahren zu erfahren, hat damit ganze 15 Sekunden gedauert. So lange hatte es nämlich gedauert, um nach der Aufhebung der Verfügung durch den Vize–Kanzler Sir Nicolas Browne–Wilkinson benötigt, um in das gegenüberliegende „Court of Appeal“ zu spurten und dort Berufung einzulegen. Sir Nicolas hatte die Freigabe der Berichterstattung damit begründet, daß nun das „Gesetz nicht wie ein Esel darstehen dürfe“, indem es bereits Bekanntes weiterhin verbiete. Nachdem der Berufungsrichter am Freitag nun den Ausflug seines Kollegen ins Tierreich durch ein erneutes Verbot abgebrochen hat, ist es um die weltweite Verbreitung der Geheimdienst–Memoiren wie folgt bestellt: In Australien, wohin sich der Geheimdienst–Autor mit seinen unerwünschten Erinnerungen zurückgezogen hatte, wird ein Berufungsgericht im Herbst über den Antrag der britischen Regierung entscheiden, auch den „Känguruhs und biertrinkenden Ex–Sträflingen“ (so der Kontinent aus britischer Sicht) die Lektüre zu untersagen. In den USA weiß nach dem zensurbedingten Presserummel mittlerweile jedes Kind, daß die kriminellen Energien der Briten denen der Reagan–Betreuer in nichts nachstehen. Dem dort erhältlichen Buch zufolge sollen nämlich die John Le Carre–Verschnitte im London der siebziger Jahre alles Erdenkliche unternommen haben, um die damalige Labour–Regierung unter Wilson einem Sturz näher zu bringen. In Großbritannien dagegen kosten diese Informationen derzeit 280 DM. Soviel verlangt ein findiger Unternehmer an einer Autobahnausfahrt in West–London für den von ihm aus den USA importierten Spionagethriller.

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