Knast für einen München–Besuch

■ Weil er sich von seinem Aufenthaltsort entfernt hat, sitzt der Asylbewerber Paul P. seit dreizehn Tagen in Haft / Zu seinem geplanten Gespräch mit Ministerin Süssmuth kam er nicht mehr

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Auf dem Jugendempfang des Bundespräsidenten im Mai dieses Jahres lernte Jugendministerin Süssmuth eine interessante Gruppe kennen: Pfadfinder aus der Stadt Arnsberg, zu denen auch der junge tamilische Flüchtling Paul Prahalathan gehörte. Man vereinbarte einen Gesprächstermin im Ministerium, bei dem über die Probleme junger Asylbewerber geredet werden sollte. Ein Thema sollte dabei auch sein, daß Flüchtlinge nach dem Asylverfahrensgesetz sich nur innerhalb eines eng begrenzten Raumes bewegen dürfen und schon der Weg in den Nachbarort ein Verstoß gegen die behördlichen Auflagen ist. Jetzt sitzt einer von Rita Süssmuths Gesprächspartnern deswegen seit 13 Tagen hinter Gittern. Bei einem Besuch in München wurde Paul Prahalathan festgenommen und wegen eines Verstoßes gegen das Asylverfahrensgesetz in Einzelhaft gesteckt. Was dem 23jährigen Paul am vorletzten Wochenende in München passierte, ist für viele Flüchtlinge ein Damoklesschwert. Wenn sie das erste Mal dabei erwischt werden, daß sie sich zu weit von ihrem Wohnort entfernen, kommen sie noch mit einer Ermahnung oder einem Ordnungsgeld davon. Für wiederholte Verstöße gegen diese behördliche Aufenthaltsbeschränkung droht jedoch der §34 des Asylverfahrensgesetzes mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe. Wie streng die Richter mit Auflage umgehen, ist jedoch in den Bundesländern und selbst von Amtsgericht zu Amtsgericht verschieden. Im Fall von Paul P. wollten es die Münchner Richter und Staatsanwälte jedoch genau nehmen. Sie ließen ihn sofort einsperren, und schon am nächsten Tag ermittelte Staatsanwalt Schöpf durch einen Rückruf beim Ausländeramt Arnsberg, daß es sich bei Paul P. um einen „Wiederholungstäter“ handele. Einmal hatte man ihn in seinem Nachbardorf ertappt, ein zweites Mal auf der Rückfahrt aus Dortmund, wo er - verbotenerweise - einen kranken Freund im Krankenhaus besucht hatte. Im Ausländeramt Arnsberg ist man auf Paul Prahalathan ohnehin nicht gut zu sprechen. Paul ist bei den örtlichen Pfadfindern aktiv und hatte schon im letzten Jahr einen Antrag gestellt, Arnsberg für eine Zeltlagerfahrt verlassen zu dürfen. Dieses Jahr sollte Paul sogar als Gruppenleiter die Sommerfahrt mitmachen. Ebenso wie im letzten Jahr lehnte das Ausländeramt jedoch auch jetzt den „Ausreiseantrag“ ab. Wie lange Paul P. noch in Stadelheim hinter Gittern bleiben muß, wird sich voraussichtlich am nächsten Mittwoch entscheiden. Dann werden die Richter bestimmen, ob sie ihn gegen eine Geldstrafe freilassen, die er von seiner Sozialhilfe abstottern muß, ob sie ihn auf Bewährung gehen lassen oder er eine Gefängnisstrafe absitzen muß. amnesty international und die Pfadfinder haben in Briefen an das Münchner Amtsgericht bisher vergeblich um die sofortige Freilassung von Paul Prahalathan gebeten.