Sri Lanka: Indiens Armee mischt nun mit

■ In der Nordprovinz Sri Lanka landeten 1.500 indische Soldaten / Folge des Abkommens zwischen Colombo und Dehli / Widerstand von Singhalesen

Aus Madras Biggi Wolff

Zum ersten Mal seit 1971 haben indische Truppen am Mittwoch nacht wieder ausländischen Boden betreten. Wie in dem am Vortag unterzeichneten indisch–srilankanischen Abkommen vorgesehen, wurden 1.500 Armeesoldaten aus Indien in den tamilischen Norden Sri Lankas geflogen, rund 500 weitere Soldaten werden in den nächsten Tagen mit Amphibienfahrzeugen, Mannschaftswagen und Hubschraubern folgen. Die Truppen sollen den heute beginnenden Waffenstillstand zwischen der srilankanischen Armee und den tamilischen Guerillagruppen sichern. Im militärischen Teil des Abkommens zwischen Colombo und Delhi wurde ein Ende der „Feindseligkeiten“ innerhalb von 48 Stunden vereinbart, die Armee Sri Lankas soll sich in jene Lager zurückziehen, die sie bis zum 25.Mai im Norden errichtet hatte, die berüchtigten singhalesischen Milizen müssen aufgelöst werden. Im Gegenzug sollen die tamilischen Guerillagruppen ihre Waffen abgeben. Alle Guerillas und politischen Gefangenen Sri Lankas sollen amnestiert sowie die mehreren Hunderttausend srilankanischen Flüchtlinge in Südindien repatriiert werden. Der politische Teil des Abkommens sieht neben der Zusammenlegung der tamilischen Gebiete zu einer Provinz die Anerkennung von Englisch und Tamilisch als offiziellen Landessprachen vor. Laut Vertrag kann der Präsident Sri Lankas die „indischen Friedenskräfte jederzeit einladen, um die Einstellung der Feindseligkeiten durchzusetzen oder zu garantieren“. Indiens Premierminister Gandhi hat bereits angekündigt, seine Regierung werde die ihr zugedachte Rolle auch dann einhalten, wenn Sri Lankas Parlament das Abkommen nicht ratifiziert - eine angesichts des Widerstandes von führenden singhalesischen Politikern gegen das Abkommen durchaus realistische Möglichkeit. In einem Zusatzvertrag wurde festgelegt, daß „kein Hafen Sri Lankas für die militärische Nutzung irgendeines Landes zur Verfügung gestellt wird, wenn dies den Interessen Indiens schadet“. Die USA hatten in der Vergangenheit zahlreiche Vorstöße gemacht, den Hafen Trincomalee im Osten Sri Lankas als Stützpunkt im Indischen Ozean zu nutzen. Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4 Umgekehrt erklärt Indien sich bereit, alle Bürger Sri Lankas auszuweisen, die in terroristische Aktivitäten verwickelt sind und die Armee Sri Lankas mit Training und Ausrüstung zu versorgen. Das Abkommen wird inzwischen von allen tamilischen Guerillagruppen außer den militärisch stärksten Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) akzeptiert. Die Gruppe EROS, die neben den Tigers maßgebliche Guerilla im tamilischen Norden Sri Lankas, hat sich bereiterklärt, ihre Waffen an Vertreter Indiens abzugeben. LTTE–Chef Prabhakaran und der Sprecher der Organisation Balasingham äußerten sich noch nicht abschließend. Sie befinden sich noch in Neu Delhi zu Gesprächen. Die Präsidenten Indiens und Sri Lankas gaben sich unterdessen optimistisch. Das Abkommen sei der Beginn eines neuen Kapitels der bilateralen Beziehungen und das Resultat von Vertrauen, Freundschaft und gutem Willen. Indiens Premierminister Rajiv Gandhi erklärte, daß ein starkes, vereintes und friedliches Sri Lanka im Interesse Indiens sei. Befragt, was ihn jahrelang von einem solchen Friedensvertrag abgehalten habe, meinte Sri Lankas Premier Jayewardene nur ironisch: „Mein eigener Mangel an Intelliganz.“ Bei den überwiegend buddhistischen Singhalesen im Süden Sri Lankas stieß das Abkommen dagegen auf herbe Kritik. „Gandhi kann nicht mal sein eigenes Land regieren und jetzt kommt er her und versuchts mit unserem, und unser Präsident hilft ihm noch dabei“, waren typische Äußerungen, die Reporter der Washington Post in Colombo aufschnappten. Trotz Ausgangssperre lieferten sich auch am Mittwoch mehrere tausend wütende Singhalesen, darunter Hunderte von buddhistischen Mönchen, erbitterte Straßenschlachten mit der Polizei in den südlichen Ausfallstraßen von Colombo.