One More Star in Heaven

■ Pola Negri, Star des internationalen Stummfilms, ist gestorben / Lubitschs Carmen und Madame Bovary

1918, Ernst Lubitsch dreht in Berlin „Die Augen der Mumie Ma“. Emil Jannings sagt später über seine Partnerin: „Sie war damals noch wild und ungebärdig, platzte vor Temperament und befand sich dauernd auf Hochtouren. Ihr bekannter, dunkler Kopf ist unvergeßlich. Sie spielte den dämonischen Vamp, aber die Rolle gewann unter ihren Händen ein sprühendes Leben, das auf alle übersprang.“ Das war Pola Negri, als Apolonia Chalupiec zwischen 1894 und 1897 in Polen geboren, 1913 als Teenager erstmals auf der Bühne, 1916 von Max Reinhardt nach Berlin geholt, von Lubitsch zur UFA gebracht und zum internationalen Star gemacht. Was Jannings nicht erwähnt - weil er selbst so war: Zwischen hochdramatischem, fiebrig–expressivem Spiel und lächerlichem, outriertem Gemime balancierte die Negri. Sie war Lubitschs Carmen und die Madame Bovary; programmatisch hießen ihre Filme „Die Bergkatze“ oder „Die Flamme“. Ihre Extravaganz und ihre Affairen machten sie zu einem der ersten Superstars des jungen Mediums Film: Sie machte in den Zwanzigern die lackierten Fußnägel, den Turban und die langschäftigen Stiefel populär. Ihre Affairen mit Valentino - der kurz vor der geplanten Hochzeit starb und ihr einen großen Witwenauftritt am Grab ermöglichte - und Chaplin begeisterten die Yellow Press. Sie war und blieb ein Stummfilmstar. Als der Ton kam, war ihr slawischer Akzent hinderlich, und ihre expressionistische Schauspielerei kam schnell aus der Mode. Nach 1930 drehte sie - in Hollywood und nach Kriegsbeginn wieder in Deutschland - nur noch wenige Filme. Sie hat viele ihrer Fans überlebt. Wie ihre große Rivalin Gloria Swanson war sie, ohne daß „Arbeit“ und „Privates“ je getrennt worden wären, ganz Aura, untrennbar mit ihrem Abbild identisch, ein Trivialmythos. Am Samstag ist sie in San Antonio/Texas, wo sie zuletzt zurückgezogen gelebt hatte, gestorben. One more star in heaven. Klaus Nothnagel