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Utopien mit zweijähriger Laufzeit

■ Hamburg hat demnächst zwei Frauenerwerbsarbeits–Projekte wie aus dem Bilderbuch / Doch die ökologisch und sozial sinnvollen Stellen haben einen Pferdefuß: Sie sind Teil des städtischen ABM–Programms und auf zwei Jahre befristet

Von Irene Stratenwerth

Ein Projekt wie aus dem alternativen Bilderbuch: Ab Februar 1988 werden in einer riesigen Fabriketage in Hamburg–Altona etwa 40 Frauen in vier Werkstätten (Tischlerei, Metallwerkstatt, Gärtnerei, Vollwertküche) autonom und selbstbestimmt zusammenarbeiten. Nicht unter dem Konkurrenzdruck des „freien Marktes“, sondern orientiert an der Entwicklung ökologisch sinnvoller Produkte und der eigenen Weiterqualifizierung. Nicht für diejenigen, die es sich leisten können, sondern für die, die es nötig haben, gemeinnützige Einrichtungen z.B. Nicht zu alternativen Hungerlöhnen, sondern gegen tarifgerechte Bezahlung. BAFF e.V. (Berufliche Autonomie für Frauen) entstand aus der Erfahrung, daß auch gelernte Handwerkerinnen auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben. Möglich wurde das Projekt durch die vom Hamburger Senat unter dem Stichwort „zweiter Arbeitsmarkt“ seit einigen Jahren besonders geförderten „ABM– Programme“ (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). Und das ist zugleich der Pferdefuß. Zwar haben es Frauenprojekte in Hamburg leichter denn je, Gelder und Stellen bewilligt zu bekommen - auf ABM–Basis. Aber erst in der Realisierung zeigen sich die vielen Haken und Ösen dieses Modells. ABM–Stellen werden aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert, sind grundsätzlich auf höchstens zwei Jahre befristet und den Empfängern von Arbeitslosengeld oder -hilfe vorbehalten. Zur Einrichtung von ABM–Stellen gibt es in Hamburg Zuschüsse von der Sozialbehörde, die davon in doppelter Weise profitiert: Sie spart an der Einrichtung fester Stellen im Sozialbereich und trägt dazu bei, den Abstieg von Arbeitslosen in die Sozialhilfeabhängigkeit zu verhindern. Für Frauen sind die befristeten Arbeitsverhältnisse besonders problematisch, weil jede längerfristige soziale Verpflichtung des Arbeitgebers für den Fall, daß sie Mütter werden, entfällt. Viele Frauen sind auch vom Zugang zu ABM–Stellen ausgeschlossen: weil sie als Hausfrauen längere Zeit nicht erwerbstätig waren oder durch ihre verdienenden Ehemänner finanziell „versorgt“ sind und keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben. Als Erwerbsmöglichkeit u.a. für solche Frauen ist das Cafeprojekt in Steilshoop gedacht, einem Hochhausviertel im Stil des sozialen Wohnungsbaus der 60er Jahre. Ein Cafe als soziokultureller Treffpunkt für die Bewohnerinnen und Bewohner fehlt in diesem Stadtteil seit eh und je; kommerziell ausgerichtete Vorhaben konnten sich wegen der niedrigen Einkommensstruktur in Steilshoop nie lange halten. Das brachte den „Verein für soziale Arbeit und Forschung“, der im Stadtteil schon eine Renovierungskolonne für arbeitslose Jugendliche aufgebaut hatte, auf die Idee, mit einem Cafe– und Restaurantbetrieb Arbeitsplätze für erwerbslose Frauen zu schaffen. Im Cafe, das direkt gegenüber dem Einkaufszentrum liegen wird, sollen 17 Arbeitsplätze für Hauswirtschaftsleiterinnen, Sozialpädagoginnen, Kauf– und Verwaltungsfrauen und Cafemitarbeiterinnen geschaffen werden, etwa zehn davon für Frauen aus dem Stadtteil. Zwölf Stellen auf ABM–Basis und fünf Stellen, die über die „Hamburger Beschäftigungs–GmbH“ (ein weiteres beschäftigungspolitisches Instrument der Stadt) auch Sozialhilfeempfängerinnen zugänglich sein sollen. Gratwanderung Beide Projekte bewegen sich in einem schwierigen Spannungsfeld: Einerseits sind sie außerhalb der marktwirtschaftlichen Konkurrenzsituation, andererseits wird die mangelnde Orientierung am Markt die Frauen auf Dauer kaum qualifizieren, sich auch auf dem ersten Arbeitsmarkt zu behaupten; die Tätigkeit im ABM–Projekt könnte damit sogar zum Stigma werden. Um diese schwierige Gratwanderung zu bewältigen, sind in den Projekten erfahrene Ausbilderinnen, Verwalterinnen und Kauffrauen vonnöten; diese aber sind auf ABM–Basis kaum zu finden. Dem Cafe in Steilshoop fehlen trotz intensiver Suche drei Hauswirtschaftsleiterinnen und eine Kauffrau. Eine Steuerfachgehilfin, die sich für die Mitarbeit bei BAFF interessierte, wurde vom Arbeitsamt mit ständig neuen „Arbeitsangeboten“ überzogen, so daß ihre ABM–Berechtigung in Frage gestellt war. Unter diesen Vorzeichen wird die zeitliche Befristung der Stellen erst recht zum Alptraum. Bei BAFF ist schon jetzt absehbar, daß die Ausbilderinnen, die bereits eingestellt sind und an der Einrichtung der Werkstätten mitarbeiten, ihre Arbeitsplätze fast ein ganzes Jahr vor den Handwerkerinnen wieder räumen müssen. Abgesehen von der menschlichen Zumutung, die in diesem absurden Rotationsprinzip liegt, wird damit wertvolles Erfahrungswissen immer wieder verloren gehen. In Hamburg gab es 1986 4.408 ABM–Stellen, 1.817 davon wurden von Frauen besetzt. In ingsesamt 35 Frauenprojekten sind 70 „ABM–Frauen“ beschäftigt. Ein gewisser Aufschwung der ABM– Arbeit ist zu verzeichnen, seit es mit „Frau und Arbeit“ in Hamburg eine Beratungsstelle gibt, in der Frauen (auf ABM–Basis) andere Frauen beim Aufbau von ABM–Projekten unterstützen. Reservearmee ABM–Frauen Auf ABM–Stellen sollen qua Definition die sonst unerledigten Arbeiten - oft Aufgaben im Bildungs– und Sozialbereich, für die Frauen schon immer den besonderen Blick hatten und die sie oft unbezahlt erledigt haben. Arbeitsmangel ist jedenfalls noch nie das Problem von Frauen gewesen. Wie aber Staat und Gesellschaft in die Pflicht genommen werden können, diese Arbeit auch angemessen zu bezahlen, und wie verhindert werden kann, daß Frauenerwerbsprojekte in der Funktion verkommen, sich billig nützlich zu machen und Frauen in zweitklassigen Arbeitsverhältnissen als Reservearmee bereitzuhalten - diese Diskussion hat unter den Hamburger Frauenprojekten erst begonnen. Kontaktadressen: BAFF, Pumpen 17 (Meßberghof), 2000 Hamburg 1, Tel. 040/327600 Cafe/Restaurantprojekt, Schreyerring 27, 2000 Hamburg 60, Tel. 040/6329092.

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