Vorgriffe

■ Zum Urteil wegen Abtreibungsbeihilfe

Bedarf es überhaupt noch der Verabschiedung des „Beratungsgesetzes“ zum § 218, um die soziale Indikation kaltzustellen? Während in den Ministerien noch an den Formulierungen getüftelt wird, nimmt die Richterschaft entscheidende Punkte vorweg: so in dem Urteilsspruch gegen einen Arzt, der wegen „Beihilfe zu unerlaubten Schwangerschaftsabbrüchen“ angeklagt wurde. Er habe nicht „abwägend“ beraten, heißt es, er habe Indikationen „oberflächlich“ und „allgemein“ ausgestellt - kurzum, er habe den „Rettungswillen gegenüber dem ungeborenen Kind“ vermissen lassen. Von diesen Verpflichtungen ist jedoch im Wortlaut des reformierten § 218 nichts zu finden. Deshalb soll nach den Vorstellungen der Regierungskoalition bundesweit gesetzlich durchgesetzt werden, daß Beratungen nur noch zum „Schutz des ungeborenen Lebens“ erfolgen. An die Indikationsstellung selbst wagt sich das projektierte Beratungsgesetz allerdings nicht heran. Dazu wäre der direkte Eingriff in den § 218 nötig, und der ließe sich politisch nur schwer verkaufen. Dafür fühlen sich z.Zt. die Gerichte zuständig. Falls das Nürnberger Urteil rechtskräftig wird, sind Ärztinnen und Ärzte, die die Entscheidung der Frau respektieren, gegenüber behördlicher Willkür schutzlos. Dann genügt vielleicht schon ein dezenter Hinweis eines „lebenschützenden“ Kollegen, um die Staatsanwaltschaft ermitteln zu lassen. Und wenn schon die Ankündigung eines Gesetzes Polizei und Justiz Morgenluft wittern läßt, was mag sich erst nach seiner Verabschiedung abspielen? Helga Lukoschat