: P O R T R A I T Ein Strahlemann aus Hanau und der bundesdeutsche Plutoniumpapst
■ Der Bundestagsabgeordnete der CDU und beurlaubte Geschäftsführer der Hanauer Plutoniumfabrik ALKEM, Alexander Warrikoff, fühlt sich „schuldlos verfolgt“ / Wolfgang Stoll, 63–jähriger Chemiker und technischer Geschäftsführer der ALKEM, gilt als sachkundiger Ingenieur und Atommanager der ersten Stunde
Der „beurlaubte“ ALKEM–Geschäftsführer und nach der Anklageerhebung durch die Hanauer Staatsanwaltschaft ohne schützende Immunität agierende Bundestagsabgeordnete der Union, Dr. Alexander Warrikoff (53) tanzt auf zahlreichen Hochzeiten. Er ist Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverband „Kernbrennstoffkreislauf“ und Vorsitzender des Verwaltungsrates des nuklearen Versicherungsdienstes (Hanau). Der Atom–Lobbyist, der bis zu seiner „Beurlaubung“ Geschäftsführer nicht nur der ALKEM sondern auch der „Reaktor–Brennelemente– Union“(RBU) war, sitzt im Wirtschaftsrat der CDU und als MdB selbstverständlich im Ausschuß für Forschung und Technologie und ist Mitglied bei der „Gesellschaft für Entbürokratisierung“. Daß der Mann jetzt Protagonist eines Polit–Krimis geworden ist, hat er angeblich folgt“, wie er nach der Anklageerhebung der erstaunten Presse mitteilte. Die Hanauer Staatsanwaltschaft, so Warrikoffs damaliger Vorwurf, betreibe mit den Mitteln der Strafjustiz das Geschäft von SPD und Grünen. Dabei hatte die Geschäftsführung der Plutoniumfabrik ALKEM auch die SPD immer schön „gesponsort“ - zu Wahlkampfzeiten. Schließlich mußten die sozialdemokratisch orientierten Betriebsräte der Hanauer Nuklearbetriebe auf Linie gehalten werden. Warrikoffs Karriere begann 1961, als der junge Dr. jur. in die Justizabteilung der frisch gegründeten Brennelementefabrik NUKEM eintrat. Nur acht Jahre später war der Senkrechtstarter bereits Geschäftsführer der Reaktor–Brennelemente– Union(RBU). 1975 ist Warrikoff dann schon RBU– und ALKEM–Geschäftsführer und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der Nuklearbetriebe. Der Atommanager warb unermüdlich für die „friedliche Nutzung der Kernenergie“, legte sich öffentlich mit Atomkraftgegnern an und rannte Ministertüren auf der Suche nach Zuschüssen für die Hanauer Nuklearbetriebe ein. Das Engagement des Dr. Warrikoff für die bundesdeutsche Atomwirtschaft blieb der CDU–Führung in Bonn nicht verborgen. 1983 wurde Warrikoff eine Bundestagskandidatur in einem gerade „frei“ gewordenen Wahlkreis im Odenwald angedient. Er zog nach Münster–Altheim um und in den Deutschen Bundestag ein, wo er sich umgehend im Ausschuß für Forschung und Technologie wiederfand. Daß ein Atommanager in dem für die Energiepolitik zuständigen Bundestagsausschuß sitzt, hält Warrikoff für kein Problem: „Ich fühle mich voll legitimiert, im Rahmen der Sitzungen des Forschungs– und Technologie–Ausschusses über den Brennstoff–Kreislauf und die Entsorgung zu diskutieren und an den Abstimmungen hierüber teilzunehmen.“ Der Chemiker Dr. Wolfgang Stoll, der im Gegensatz zu seinem „Kollegen“ Warrikoff noch immer ALKEM–Geschäftsführer ist, gilt als Atommanager der ersten Stunde. Ausgebildet in der US–amerikanischen Nuklearwaffenschmiede Henford im Bundesstaat Washington, deren riesiges Gelände u.a. mit zwei Wiederaufarbeitungsanlagen zur Plutoniumproduktion bestückt ist, machte Stoll schon in den 50er Jahren Karriere. An der Seite von Bundesatomminister Franz–Josef Strauß soll Stoll - nach Informationen der taz - bereits damals als Ministerberater maßgeblich an der Konzeptionierung einer bundesdeutschen WAA gearbeitet haben. Auch in Karlsruhe, dem Sitz des ersten „Kernforschungszentrums“ der jungen Republik, war Stoll aktiv im Einsatz. So habe Stoll u.a. am Forschungsreaktor FR II „rumgebastelt“, wie Michael Sailer, Ingenieur aus dem Darmstädter Öko–Institut zu berichten weiß. Grundlage für den Bau des FR II waren die Arbeiten der deutschen Wissenschaftler aus der Nazi–Ära. Stolls US–Erfahrungen mit der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente dürften auch beim Bau der Karlsruher Wiederaufarbeitungs–Versuchsanlage eine Rolle gespielt haben, die 1971 von der Gesellschaft für Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen (GWK) in Betrieb genommen wurde. Stolls härtester Kritiker, der BBU–Sprecher und Hanauer Umweltschützer Eduard Bernhard, der seit Jahren gegen die Nuklearbetriebe streitet, nennt ihn denn auch den bundesdeutschen „Plutoniumpapst“. Der 1924 geborene Stoll, der seit 1984 an der TH– Karlsruhe Vorlesungen über Kerntechnik hält, war bereits bei der ALKEM–Gründung in Karlsruhe der technische Leiter des Projekts. In dieser Position verblieb Stoll auch beim Wechsel der ALKEM nach Hanau, Ende der 60er Jahre. Doch anders als Warrikoff, der auch auf der politischen Bühne die Drähte für ALKEM und RBU zog, hielt sich Stoll in der Öffentlichkeit mit Äußerungen immer zurück. Selbst auf dem ALKEM–Erörterungstermin, bei dem 1985 in der Kulturhalle in Hanau–Steinheim die Fetzen flogen und die Einwender aus Protest gegen die Illegalität der ALKEM auszogen, schwieg sich Stoll aus. Das Protokoll vermerkte nach zwei Verhandlungstagen schlicht seine Anwesenheit. Betriebsintern gilt der technische Manager als „sachkundiger Ingenieur“, der - zusammen mit einem nur ihm unterstellten Stab von Chemikern und Kernphysikern - ständig an der „Verbesserung“ der ALKEM–Produktionsanlagen gearbeitet haben soll. Daß die von Stoll als „Verbesserung“ bezeichneten sechs Änderungen bei der ALKEM, die jetzt Gegenstand der Verhandlung vor dem Landgericht Hanau sind, von der technischen Konzeption her auf das Konto des technischen Geschäftsführers gehen, steht - laut Anklageschrift - außer Frage. „Plutoniumpäpste“ sind eben alles andere als „heilig“.
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