I N T E R V I E W „Ghaddafi muß jetzt entscheiden, ob er Krieg will oder Frieden“

■ Der tschadische Außenminister Gouara Lassou über die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen mit Libyen im Aouzou–Streifen

taz: Vergangenen Samstag haben tschadische Truppen die auch von Libyen beanspruchte Ortschaft Aouzou besetzt. Sucht Ihre Regierung den Krieg mit Ghaddafi? Gouara Lassou: Sie verwechseln Angreifer und Angegriffene, Täter und Opfer! Sind wir mit einem Expeditionskorps nach Libyen gezogen? Oder halten die Truppen Ghaddafis seit Jahren unser Land besetzt? Wir haben den neuerlichen Waffengang nicht einmal provoziert. Libysche Truppen haben die von uns bereits im März zurückeroberte Oase Fada angegriffen. Wir haben sie zurückgeschlagen und unsere Gegenoffensive so weit vorgetragen, wie das möglich war. Daß wir nach 14jähriger Besatzung endlich in den Aouzou– Streifen vordringen konnten, hat uns natürlich nicht gestört ... Wir sind Patrioten, und die Befreiung auch des letzten Meters besetzten Landes ist unsere patriotische Pflicht. Seit der Eroberung bombardiert die liby sche Luftwaffe, was im tschadischen Norden auch nur nach Ortschaft aussieht. Werden sie ihre Stellungen halten können? Seit vergangenem Januar haben wir den gesamten Norden zurückerobert und bisher noch keine Stellung wieder aufgeben müssen. Daß heißt nicht, daß uns unsere Siege in den Kopf steigen. Aber in der tschadischen Wüste kommt es vor allem auf den Mut und die Entschlossenheit der kämpfenden Truppe an. Das beste Kriegsmaterial nutzt hier nicht viel, wenn die Soldaten nicht wissen, wofür sie ihre Opfer bringen. Und die Moral unserer Truppe ist besser denn je. Das ändert aber nichts daran, daß Ihre Soldaten in Aouzou den libyschen Luftangriffen nichts entgegenzusetzen haben. Wir haben Fada, Faya, Bardai und Wadi Doum zurückerobert, und unsere Truppen sind jedesmal von der libyschen Luftwaffe bombardiert worden. Sie haben die Stellungen gleichwohl gehalten. Und die französische Weigerung, den tschadischen Truppen im Aouzou–Streifen militärisch beizustehen, hat Sie nicht enttäuscht? Man macht keine Politik mit Enttäuschungen oder Gefühlen. Frankreich ist unser Verbündeter. Als Patrioten haben wir die Pflicht, unsere territoriale Integrität zu verteidigen. Wir nehmen dafür Risiken in Kauf und versuchen das unseren Verbündeten klarzumachen. Aber Frankreich und der Tschad sind souveräne Staaten. Jeder fällt seine eigenen Entscheidungen, und es steht mir nicht zu, die Stellungnahmen der französischen Regierung zu bewerten. Sie sind nicht zufällig in Abidjan. Sucht Ihre Regierung nicht die Unterstützung der Elfenbeinküste - und anderer Verbündeter Frankreichs in Afrika -, um indirekt auf Paris Druck auszuüben, im Notfall doch militärisch einzugreifen? Das bleibt Ihre Interpretation. Ich habe dazu nichts zu sagen ... Kein Kommentar. Der neuerliche Waffengang im Tschad begräbt die Vermittlungshoffnungen der „Organisation für afrikanische Einheit“ (OAU), deren Gipfelkonferenz vor kaum zwei Wochen zum Waffenstillstand aufgerufen hatte. Stellen Sie die OAU nicht vor vollendete Tatsachen? Für uns ist der sogenannte Aouzou– Streifen integraler Bestandteil des Tschad. Wenn Ghaddafi endlich einsieht, daß es im Interesse des libyschen wie des tschadischen Volkes ist, eine Form friedlicher Koexistenz zu finden, dann können wir uns an einen Tisch setzen und darüber reden. Die OAU hat dann ohne Zweifel ihre Rolle als redlicher Vermittler zu spielen. Wir sind zu Verhandlungen bereit und im übrigen immer bereit gewesen. Aber Ghaddafi muß sich jetzt entscheiden: Entweder will er weiterhin Krieg oder endlich Frieden. Interview: Knut Pedersen