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I N T E R V I E W Mit neuem Elan frisch aus der Druckerpresse

■ Dr. Danilo Aguirre von El Nuevo Diario zum Wiedererscheinen der meistgelesenen nicaraguanischen Tageszeitung, die am Samstag dichtgemacht hatte

taz: In der Samstagsausgabe wurde die unbefristete Einstellung des Blattes bekanntgegeben. Was waren die unmittelbaren Gründe? Dr. Danilo Aguirre: Unsere Ausrüstung ist acht Jahre alt. Wir haben im Laufe der Jahre Druckkapazität verloren. Seit einiger Zeit haben wir keinen Zugang zu den für die Reparaturen notwendigen Devisen gehabt. In Nicaragua muß man die Devisen über offizielle Kanäle beantragen. Schließlich ist unser letzter Textcomposer draufgegangen. Es gibt doch für die Medien eine festgesetzte Zuteilung an Devisen. Ja, aber in diesem Halbjahr haben wir nichts bekommen. Die Dollars vom Jahresbeginn waren längst für den Import von Ersatzteilen aufgebraucht. Seit dem Handelsembargo ist die Ersatzteilbeschaffung kompliziert, denn unsere Maschinen sind aus den USA. War die plötzliche Schließung auch dazu bestimmt, die Regierung unter Druck zu setzen? Wir konnten rein technisch nicht mehr weitermachen. Wir hatten acht Seiten gesetzt, als die Maschine zusammenbrach. Den Rest mußten wir auf Schreibmaschine tippen, um das Blatt noch herausbringen zu können. Ich weiß nicht, ob die Regierung das als Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hat. Tatsache ist, daß sie sofort reagiert hat. Da nach dem Abkommen von Guatemala viel von Öffnung und Pressefreiheit die Rede ist, kann die Schließung einer Zeitung für das Land als ganzes nachteilig sein. Wir wollten nicht Druck ausüben, sondern öffentlich, dramatisch auf unsere Situation hinweisen. Jetzt haben wir mindestens bis Jahresende mit Material ausgesorgt. Die Regierung hat also Devisen locker gemacht? Ja, Devisen für Rohmaterial und Ersatzteile. Vielleicht reicht das Geld sogar für die Anschaffung eines gebrauchten Textcomposers. Im Idealfall können wir sogar unsere Auflage steigern. Der Bedarf in unserem Land ist ja enorm. In der Abschiedsglosse beklagt ihr euch über die geringe Hilfsbereitschaft der Kollegen. Ist damit das Sandinistenblatt Barricada gemeint? Es gibt in unserer Branche ein ungeschriebenes Gesetz, wonach einer dem anderen hilft, wenn er in eine solche Situation gerät. Von Barricada haben wir nicht die erwartete brüderliche Hilfe erfahren. Habt ihr trotz der wenig freundschaftlichen Beziehungen auch beim Oppositionsblatt La Prensa angeklopft, die ja seit über einem Jahr geschlossen ist und alle Geräte in Einsatzbereitschaft hält? Unsere Beziehungen zu La Prensa sind administrativer Natur. Sie hat uns gelegentlich sogar trotz aller ideologischen Differenzen mit Material geholfen. Diesmal haben wir sie aber nicht um ihre Unterstützung gebeten. In der ersten Ausgabe der „wiederauferstandenen“ Zeitung gibt es einen ausführlichen Bericht über eine Veranstaltung der Privatunternehmer. Kann man daraus ableiten, daß El Nuevo Diario eine unabhängigere, weniger regierungstreue Linie sucht? Der Artikel hätte bereits am Samstag erscheinen sollen. Die Zeitung wollte immer schon für alle Denkrichtungen des nicaraguanischen Volkes offen sein. Wenn du dir die Zeitungen der letzten Wochen anschaust, da waren wir fast ein Sprachrohr der Oppositionsparteien. Was erwartet man in El Nuevo Diario von der bevorstehenden Aufhebung der Pressezensur im Rahmen des Guatemala–Abkommens? Die Zeitung wird derzeit zensiert. Obwohl die Zensur nicht so streng ist, wie gegen La Prensa, haben wir immer dagegen protestiert. Wir verstehen andererseits, daß in diesem Land eine Ausnahmesituation herrscht: nicht nur militärisch, sondern wegen all der wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Krieges. Die Zensur ist die einfachste Form der Regierungen, das Problem zu lösen. Wenn die Zensur aufgehoben wird, dann wird El Nuevo Diario noch weit erfrischender für die Leser sein und wenn La Prensa wieder erscheint, dann hoffentlich im Geiste des Abkommens von Guatemala und nicht im Geiste jener, die das Abkommen sabotieren wollen. Als Journalisten und Verfechter der Demokratie freuen wir uns, wenn sie wieder erscheinen darf. Wenn sie sich allerdings, wie vor der Schließung, die Positionen der Reagan–Regierung zu eigen macht, dann wird sie bei uns auf wenig Solidarität stoßen. Interview: Ralf Leonhard

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