: „Rassismus tötet nicht nur in Afrika“ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) Knapp 2.000 Tübinger haben am Mittwoch abend anläßlich des gewaltsamen Todes des iranischen Asylbewerbers Kiomars Javadi mit einer Demonstration gegen Ausländerhetze und Rassismus protestiert. Der 20jährige Javadi war - wie berichtet - am vergangenen Mittwoch von den Angestellten des Supermarktes „Pfannkuch“ nach einem versuchten Ladendiebstahl auf offener Straße erwürgt worden. Die „Pfannkuch“–Filiale, die letzte Woche Tatort dieses Falles von Lynchjustiz gewesen war, hatte sich am Mittwoch hinter Press–Spanplatten vor dem Un mut der Tübinger verbarrikadiert. Demonstranten verzierten diese Platten mit Aufschriften wie „Trauerfall“ und „Hier trug ein Mensch seine Haut zu Markte“. Auf der Abschlußkundgebung der Demonstration betonten die Redner, daß es sich bei Javadis Tod nicht um die „Gewalttat eines Verrückten“ gehandelt habe, sondern daß sich hier der von der Regierung geschürte Ausländerhaß weiter Teile der Bevölkerung entladen habe. Es sei beschämend festzustellen, daß „Rassismus nicht nur in Südafrika tötet, sondern auch in Tübingen“. In Begleitung von rund 80 Personen, darunter zahlreichen iranischen Landsleuten, hat gestern die Witwe des getöteten Kiomars Javadi auf dem Tübinger Bergfriedhof Abschied von ihrem Mann genommen, dessen Leichnam in den Iran überführt werden soll. Am Rande des Trauerzuges erhielt Frau Javadi erstmals in Form eines Beleidsschreibens des Tübinger Oberbürgermeisters ein Zeichen der Anteilnahme von seiten der Tübinger Politiker. Auf der Demonstration war dagegen außer Vertretern der Grünen nur ein Stadrat der SPD zu sehen. Verschiedene Tübinger Gruppen haben gestern einen Untersuchungsausschuß gegründet, der darauf drängen soll, daß die Strafverfahren gegen die für Javadis Tod verantwortlichen Supermarkt–Angestellten nicht im Sande verlaufen. Unter der Konto– Nummer 729305 hat der „Freundeskreis für asylsuchende Flüchtlinge“ bei der Kreissparkasse ein Spendenkonto für Javadis Frau eingerichtet. Der saarländische SPD–Bundestagsabgeordnete Ottmar Schreiner will den grausamen Tod des jungen Iraners vor den Bundestag bringen. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung fordert Schreiber Antwort darauf, wie die Bundesregierung diesen Vorfall in Zusammenhang mit ihrer Asylpolitik bewertet. Die Initiative „Freie Flüchtlingsstadt“ Nürnberg veranstaltet heute eine Mahnwache.
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