: Das Irland des Patriarchen
■ Ein Gespräch mit John Huston
Der Patriarch des Hollywood–Films John Huston hat die James Joyce–Erzählung „Die Toten“ verfilmt. Am 3. September wird sie in Venedig zu sehen sein. Bald danach auch in unseren Kinos. Die Produzenten glaubten nicht an diese Geschichte. Warum? Es ist ein Film über den Tod. Die Geschichte spielt Anfang dieses Jahrhunderts bei einer Gruppe von Freunden, die sich im Haus zweier alter Schwestern trifft. Eine Lungenentzündung, jemand stirbt und dazu die universalen Themen wie Liebe, Heirat, Leidenschaft und Tod. Von Joyce zum Film ist ein weiter Weg. Hatten Sie Schwierigkeiten? Bei fast hundert Filmen habe ich Regie geführt, aber ich muß sagen, dieser war mein schwierigster, mein verzwicktester. 15 Personen in einen Abend unterzubringen, das ist ein hartes Stück Arbeit. Die Gefahr, Theater zu spielen, liegt nah. Hat das die Produzenten gestört? Vielleicht ja. Vielleicht dachten sie, man könne keinen Film aus dieser Geschichte herausholen. Das Budget lag bei fünf Millionen Dollar, und es ist nur der Hartnäckigkeit zweier Produzenten, der Deutschen Wieland Schulz–Keil und Chris Sievernich, zu verdanken, daß aus dem Film etwas wurde. Die großen Studios hätten niemals ihr kostbares Geld für einen solchen Film riskiert. Dafür ist ihnen hier der Erfolg zu unsicher. Ein Film über Irland interessiert sie nicht. Warum? Meist wird Irland im Kino aus typisch amerikanischer Sicht gezeigt. Aber die Iren sind nicht immer betrunken und schlagen nicht ständig Krach. Das Irland, das man in diesem Film sehen wird, ist ein Irland, wie man es niemals gesehen hat: das wirkliche Irland. Hätten Sie solche Filme ohne sichtbare Handlung gern schon früher gedreht? Ach, ich weiß nicht. Den Wert einer erzählerischen Handlung sollte man nicht unterschätzen. Wenn sie gut ist, dann wird sie zu einer Spiegelung des Lebens selbst. Es gibt gute Handlungen und es gibt andere. So wie Shakespeare die Erzählhandlung einsetzte, das ist hinreißend - und die Griechen... ONeill... manchmal sogar Tennessee Williams... nur - Erzählhandlungen, die in einem Autorennen gipfeln, die verachte ich. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann haben Sie in Irland ein Joyce–Museum mitbegründet? In Dublin gibt es einen Mann namens Michael Scott, ein Architekt. Michael hat mein Haus in St.Clerans restauriert. - Nun ja, Michael war der Besitzer des Landstücks, auf dem der Turm steht, über den Joyce am Anfang des „Ulysses“ schreibt. Ich kannte übrigens Oliver St. John Gogarty, den Mann, den Joyce zum Vorbild für Buck Mulligan nahm. Michael und ich beschlossen, daß dieser Turm zu einem Joyce–Museum umfunktioniert werden sollte, das jetzt Martello Tower Museum heißt. Für die Rolle, die ich bei der Gründung spielte, ließen sie für mich einen zweiten Abdruck von Joyces Totenmaske anfertigen. Ich habe sie meinem Sohn Tony geschenkt. Eine seltene Kostbarkeit. Dublin wiedererstehen zu lassen, war sicher leichter als die Welt von James Joyce. Ja, auch wenn Joyces Stil im allgemeinen sich nicht für das Kino eignet, so macht diese Erzählung doch eine Ausnahme: Er beschreibt hier das einzige Mal die Dinge gewissermaßen kinematographisch.
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