: Rauher Wind im „Musterland“ Kenia
■ Die Regierung Daniel Arap Moi fühlt sich durch Anklagen amnesty internationals verleumdet / Folter nicht abgestritten / „Disziplinierungskomitees“ der Einheitspartei KANU nehmen sich sogar einzelner Minister an / Angriffe auf ausländische Medien nehmen zu
Von Peer Meinert
Kenia fühlt sich als Opfer ausländischer Kritiker. „Agenten des Imperialismus“, so Staatschef Daniel Arap Moi über die Menschenrechtsorganisation amnesty international, besudelten den guten Ruf des ostafrikanischen Landes. „Propaganda–Haifische“, schrieb die Kenya Times über die Auslandspresse in Nairobi, führten eine Kampagne. Die Aufforderung des Sprachrohrs der Einheitspartei: „Haltet den Mund.“ Der Zorn der Regierung richtet sich vor allem gegen den jüngsten amnesty–Bericht, der erstmals den Vorwurf massiver politischer Verfolgung erhebt und dem Ruf des politischen „Musterlandes“ in Afrika einen schweren Schlag versetzt. Nach Lesart der streng westlich orientierten Regierung gilt die „harte Linie“ ausschließlich der sozialistisch orientierten Untergrundbewegung „Mwakenya“. Doch mit Blick auf die bislang im afrikanischen Vergleich offene politische Debatte und Pressefreiheit sprechen selbst wohlmeinende Diplomaten von einem „Klimawechsel, der der politischen Liberalität des Landes schwer schadet“. Die Kampagne gegen politische Gegner sei die schärfste seit dem Putschversuch der Luftwaffe vor fünf Jahren. Laut amnesty versucht Nairobi „mit einem gezielten Programm seine politischen Gegner zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern“. Seit vergangenem Jahr seien „mehrere hundert politische Gegner inhaftiert worden“, zahlreiche seien über Wochen und Monate „verschwunden“, noch immer seien fast 100 in Haft. Die Inhaftierungen würden mit mutmaßlichen Verbindungen zu „Mwakenya“ begründet, „doch viele (Verfolgte) scheinen nicht mehr getan zu haben, als die Art und Weise zu kritisieren, wie das Land regiert wird“. Betroffen seien unter anderem Universitätsdozenten, Studenten, Journalisten, Lehrer und Anwälte. Vor allem um „falsche Geständnisse“ zu erpressen, werde gefoltert. Mindestens zwei Menschen seien in der Haft umgekommen. Die Regierung spricht in einer offiziellen Stellungnahme zwar von „anti–kenianischer Propaganda“, wollte aber erstmals den Vorwurf der Folter nicht rundheraus abstreiten. „Folter, falls sie ausgeübt wurde, ist gegen das Gesetz Kenias“, so das Außenministerium. Drei bekanntgewordene Fälle von Folter würden untersucht, Strafen seien angedroht. Doch zugleich betont Nairobi die Rechtmäßigkeit des Vorgehens: „Keine Regierung der Welt gestattet es einer illegalen Gruppe, sich mit dem Ziel zu organisieren, die Regierung zu stürzen.“ 69 Kenianer seien wegen Mwakenya– Mitgliedschaft angeklagt worden: „Alle haben gestanden.“ Doch gerade die Geständnisse beunruhigen amnesty. Die Organisation berichtet von einem Angeklagten, der seine Schuld vor Gericht abgestritten habe und darauf freigelassen worden sei. Doch außerhalb des Gerichtsgebäudes sei er erneut festgenommen worden und „verschwunden“. „Sechs Tage später bekannte er sich wegen derselben Anklage schuldig, ohne daß der Richter irgendwelche Fragen stellte.“ Vor Monaten erhob ein Anwalt Klage, seine Mandanten würden gefoltert. Sie seien in Zellen eingesperrt, die fußhoch unter Wasser gesetzt würden. Die Reaktion der Behörden: Einen Tag nach Erhebung der Klage wurde der Anwalt inhaftiert. Immer häufiger werden ausländische Medien angegriffen, vor allem Rundfunksender, die von Kenianern gehört werden. Neben dem britischen Sender BBC und „Voice of America“ wurde jüngst auch das Afrika–Programm der Deutschen Welle als „Propaganda–Hai“ bezeichnet. Den Sendern wurde vorgehalten, über Kritik eines Oppositionspolitikers berichtet zu haben. In der vergangenen Woche wurde ein kenianischer Mitarbeiter des ARD–Hörfunks in politische Sonderhaft genommen. Er hatte über politisch brisante Gerichtsverfahren berichtet. Seit neuestem gibt es „Disziplinierungskomitees“ der Partei, die auch Minister herbeizitieren können. Parteichef Moi überraschte im vergangenen Jahr mit der Aussage, die Partei stehe über dem Parlament.
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