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Die CSU haut aufs Päukchen

■ Pershing: Strauß sagt Koalitionsgespräch ab

Aus München Luitgard Koch

Weil sie sich vom Bundeskanzler „brüskiert und desavouiert“ fühlt, will die CSU vorerst nicht mehr an Koalitionsgesprächen mit CDU und FDP in Bonn teilnehmen. Mit einer entsprechenden Ankündigung des Parteivorsitzenden Strauß nach einer Sondersitzung des CSU–Vorstands in München hat sich am Montag der Konflikt in den Unionsparteien über den von Kohl angekündigten Verzicht auf die 72 deutschen Pershing–1A–Raketen verschärft. Strauß betonte, daß die Sondersitzung des Landesvorstandes nicht irgendwelchen dramatischen Paukenschlägen diente, als er gestern mit einer knappen Stunde Verspätung vor der Presse erschien. Demzufolge war von einem Kabinettauszug der CSU–Minister nicht die Rede. Fest steht jedoch, daß die CSU an den heutigen Koalitionsgesprächen nicht teilnehmen wird. Auch zu den seit langem geplanten Gesprächen im September wird die CSU voraussichtlich nicht erscheinen, so Strauß. In einer Zehn–Punkte Erklärung des Landesvorstands zu Fragen der Abrüstung wird die Entscheidung Kohls, ohne Absprache und Information der CSU auf die Pershing 1A zu verzichten, scharf kritisiert. Fortsetzung auf Seite 2 Die Grundlage des Vertrauens und der Zusammenarbeit sei dadurch erschüttert und müßte erst wieder hergestellt werden. Dazu bedarf es nach Angaben von CSU– Landesgruppenchef Theo Waigel der Klärung einiger wesentlicher Richtlinienentscheidungen innerhalb der Union. Waigel nannte in diesem Zusammenhang die Innere Sicherheit sowie eine endgültige Regelung für Reisen von Kabinettsmitgliedern. Zwar betonte Strauß, er sei nicht dazu da, Porzellan zu zerschlagen, in Punkt zwei der Erklärung wird jedoch massive Kanzlerschelte betrieben. „Rüstung ohne Notwendigkeit ist genauso gefährlich, wie Abrüstung zum falschen Zeitpunkt, in falschem Ausmaße, unter falscher Einschätzung der Realitäten, bei der Hoffnungen an die Stelle von Tatsachen gesetzt werden“, so das Papier. Der Verzicht auf die Pershing1A sei eine einseitige Abrüstung der BRD. Nochmals wird darauf hingewiesen, daß Kohl selbst gegenüber Strauß zuletzt am ersten Mai dieses Jahres vor einem Verzicht „in geradezu beschwörender Weise“ gewarnt habe, wie Strauß sichtlich erregt betonte. Nach wie vor sei „die Überlegenheit der konventionellen Bewaffung der Sowjets auf allen Gebieten und nicht zuletzt der chemischen Waffen erdrückend“. Es dürfe nicht soweit kommen, daß die militärische Sicherheit der BRD mehr vom Friedenswillen der Sowjets abhängig sei, als von der amerikanischen Sicherheitsgarantie. Fehler in der Außenpolitik könnten jedoch im Gegensatz zur Innenpolitik nur mit großen Opfern korrigiert werden. Ausdrücklich betonte Strauß, die Regierung dürfe sich auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik keinem „stimmungsdemokratischem Wellengang beugen“. Nicht die Raketenzahlen auf beiden Seiten seien der springende Punkt für den Weltfrieden sondern ein Wandel in der Sowjetunion. Dazu müsse die UDSSR auf ihre strategische Überlegenheit, Weltrevolution, ihre ideologische und imperialistische Einmischung in den Ländern der 3. und 4. Welt verzichten. Auf die Frage ob Strauß auf eine Entschuldigung Kohls warte, meinte dieser: „Worauf ich warte oder nicht warte ist nicht das Thema“. Er jedenfalls sei für den Kanzler immer telefonisch erreichbar gewesen. In den nächsten Tagen jedoch will sich der 71jährige erst einmal zurückziehen, um an einem Buch zu arbeiten und seinen Geburtstag feiern. Trotz der Absage der CSU wird das Koalitionsgespräch heute in Bonn stattfinden. Das wurde gestern nachmittag im Kanzleramt und in den Parteiführungen von CDU und FDP bestätigt. Weder CDU noch FDP nahmen gestern offiziell zur Absage der CSU Stellung. In Kreisen der FDP hieß es lediglich, man werde alles versuchen, die CSU auf die Linie der Vernunft zurückzuführen. Der schleswig–holsteinische Ministerpräsident Barschel appellierte mit Blick auf die Landtagswahl am 13. September an „alle Verantwortlichen in der Union, bei allen Äußerungen die Einheit der Union im Auge zu haben“.

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