Katalysatoren bald auch in der UdSSR

■ Aber wann sie Vorschrift werden, ist noch völlig unklar / Der Minister für chemische Industrie verkündet unerfreuliche Zukunftspläne: / Die „Chemisierung“ der sowjetischen Wirtschaft wird sich fortsetzen

Aus Moskau Alice Meyer

Die „Chemisierung“ der sowjetischen Wirtschaft wird sich künftig in beschleunigtem Tempo fortsetzen. Das erklärte der Minister für Chemische Industrie der UdSSR Juri Bespalow aus Anlaß der Eröffnung der 6. Internationalen Ausstellung „Chimija“ (Moskau 10. - 19.9.87) vor Journalisten. Der Anteil von chemischen Er zeugnissen an der sowjetischen Industrieproduktion soll von 6,3 Prozent auf acht bis elf Prozent (2000) zunehmen. Auf der Pressekonferenz wurden kritische, teilweise anonym gestellte Fragen sowjetischer Journalisten verlesen. Ein Fragesteller verwies auf Umwelt– und Gesundheitsschäden in der Moldau–Republik und in Usbekistan als Folge der Verwendung von Agrochemikalien und deutete „tragische Resultate“ an. Baumwoll–Kulturen in Mittelasien würden mittels Sprühflugzeugen chemisch „behandelt“, um den Einsatz von Baumwollerntemaschinen zu ermöglichen. Die giftige Chemikalie werde dabei jedoch häufig in zu hohen Dosierungen und bisweilen auch im Bereich dörflicher Ansiedlungen versprüht. Minister Bespalow und der auf der Pressekonferenz ebenfalls anwesende Vize–Minister der Mineraldüngerindustrie gaben Fehler und Unregelmäßigkeiten beim Mitteleinsatz zu, verwiesen aber darauf, daß Agrochemikalien in der UdSSR einem ähnlich langen Prüf– und Begutachtungsverfahren unterworfen seien wie Medikamente. Es dauere im Schnitt fünf Jahre, bis ein neues Produkt für anwendungsreif erklärt werde. Wenn man Bespalow folgt, wird sich das Problem der Chemisierung des Baumwollanbaus in der UdSSR vielleicht bald nicht mehr stellen. Nach seinen Worten - und im Publikum gab man sich da doch etwas erstaunt - sind synthetische Fasern und Stoffe im Sowjetvolk viel, viel populärer als Textilien aus Naturfasern. Als Massenneuheit stellt die UdSSR auf der „Chimija“ ein System zur Simulation von schweren Havariefällen in Chemiefabriken, Kernkraftwerken usw. vor, das für die Schulung von Betriebspersonal und Rettungstrupps entwickelt wurde. Sowjetische Waschmittel (Phosphatfrei oder nicht, das blieb unklar), die es nach den Worten des Chemieministers schon mit westlichen Spitzenfabrikaten aufnehmen können, müßten künftig nur besser verpackt werden, dann werde man sie auch mit Erfolg exportieren können. Aber auch Umweltfreundliches wurde auf der Pressekonferenz abgesondert. In der UdSSR soll bis 1990 die Herstellung verbleiten Benzins eingestellt werden. Das Ministerium für chemische Industrie wird zwei Betriebe schließen, die bleihaltige Antiklopfmittel produzieren. Das Automobil–Ministerium ist nach den Worten von Bespalow nun auch endlich angewiesen worden, Ausrüstungen zur katalytischen Abgasreinigung zu bauen, Prototypen solcher Geräte soll es schon geben. Gegenwärtig ist aber noch völlig offen, ob und wann für neue sowjetische Pkw die Katalytische Abgasreinigung verbindlich vorgeschrieben wird. Die Tatsache, daß in der UdSSR das Ministerium für Automobilindustrie - also ausgerechnet dasjenige Fachressort, dem auch die Pkw–Hersteller zugeordnet sind - selbst für die Festlegung von Abgasrichtlinien verantwortlich ist, war bisher für Investitionen in eine wirkungsvolle Entgiftung der Autoabgase nicht gerade förderlich. Auch über die Einführung bleifreien Benzins an sowjetischen Tankstellen ist bisher nichts bekannt. Die deutsche Lada Automobilgesellschaft soll inzwischen in der Lage sein, alle im Westen angebotenen Pkw–Typen aus sowjetischer Produktion (“Lada“, „Niwa“ u.a.) auf Wunsch mit Katalysatoren auszurüsten.