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Späte Dreckkampagne und langweilige Demokratie

■ Die Wahlkämpfe in Schleswig–Holstein und Bremen glichen sich in einem: Langweilig waren sie / In Kiel bangt die CDU um ihre absolute Mehrheit

Von T.Janssen und D.Asendorpf

Kiel/Bremen (taz) - Zumindest in ihren Slogans sind sich die Regierungen der beiden kleinen norddeutschen Bundesländer einig, in denen am Samstag gewählt wird: „Mit Uwe Barschel voran auf klarem Kurs“, plakatiert die CDU in Schleswig–Holstein, „Mit neuer Kraft auf Kurs“, meint Bremens Bürgermeister Wedemeier auf den SPD–Stelltafeln. Überall in Schleswig–Holstein warnen im übrigen Plakate vor dem „rot–grünen Chaos“. Doch die als stur verschrieenen Nordländer wollen der Christenunion nicht so recht trauen. Jüngste Meinungsumfragen diagnostizieren ein Kopf–an–Kopf–Rennen zwischen den Christdemokraten unter Ministerpräsident Uwe Barschel und der FDP des Unternehmensberaters Wolf–Dieter Zumpforth sowie dem Sozialdemokraten Björn Engholm und dem Grünen–Spitzengespann Christa Limmer/Björn Engholm. Noch ist ungewiß, ob Grüne und FDP es schaffen, in das Landeshaus an der Kieler Förde einzuziehen. Die Prognosen schwanken. Aber wenn sich in Schleswig–Holstein ein Vier–Parteien–System etablieren sollte, kommt einer Mini–Partei entscheidende Bedeutung zu: dem SSW (Süd–Schleswiger–Wählerverband). Er braucht keine fünf Prozent, da er als Partei der dänischen Minderheit im Lande eine Sonderregelung genießt. Und die Vorlieben des SSW–Vorsitzenden Karl–Otto Mayer liegen eindeutig bei einer Reform–Koalition der SPD. So kann der (bisher) eine Sitz des SSW entscheidend werden. Die CDU wiederum leidet unter zwei entscheidenden Handicaps. Durch einen Flugzeugabsturz mußte ihr Spitzenkandidat Barschel wochenlang im Krankenhaus darben und konnte nicht aktiv in den Wahlkampf eingreifen. Außerdem laufen ihr im Agrarland Schleswig–Holstein scharenweise ihre bisher treuesten Wähler davon: die Bauern. Fortsetzung auf Seite 2 Diese Konstellation, die sie die absolute Mehrheit in jedem Fall kosten dürfte, ließ eine Woche vor dem Wahltermin bei den Nord– Christen die Sicherungen durchbrennen. Sie beschuldigten die SPD, „Kinder–Sex“ zu fördern. Ironischerweise ein SPD–Plagiat, denn mit diesem Vorwurf drückten die nordrhein–westfälischen Sozialdemokraten seinerzeit die Ruhr–Grünen unter fünf Prozent. SPD und Grüne hoffen nun auf das notorisch schlechte Landeswetter zwischen Nord– und Ostsee. Das könnte das CDU–Klientel zusätzlich von den Wahlurnen fernhalten. Und dann wirds spannend in Schleswig–Holstein. „Je langweiliger der Wahlkampf, desto besser für die Demokratie“ - zu dieser Einschätzung kam der Ex–Senator und SPD– Wahlkämpfer Moritz Thape zwei Tage vor der Bremer Bürgerschaftswahl in Bremen. Hier verteidigt die SPD ihre absolute Mehrheit. Hat er recht, dann müßte die Bremer Demokratie in den vergangenen Wochen aufgeblüht sein. Denn ein heißes Thema hatte der Wahlkampf nicht. Die CDU wird in den Wahlprognosen um die 30 Prozent gehandelt, eine Rückkehr der FDP in die Bremer Bürgerschaft scheint sicher, und die Grünen werden ihr Rekordergebnis von 14 Prozent bei der Bundestagswahl nicht wieder erreichen. So bleibt als einzige spannende Frage, ob es der SPD gelingen wird, ihre absolute Mehrheit zu erneuern.

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