Chirac läßt sich in der fernen Südsee bejubeln

■ In Neukaledonien verkündete Frankreichs Premierminister die Grundprinzipien für das neue Statut der Pazifik–Kolonie / Die kanakische Befreiungsfront soll administrativ kaltgestellt werden / Verschärfung des Konflikts zwischen Kanaken und Frankophilen absehbar

Aus Paris Georg Blume

15 Concorde–Flugstunden von Paris entfernt feierte Jacques Chirac gestern seinen schönsten Wahlsieg, seit er als Premierminister im Amt ist. „Die Caledonier haben entschieden, im Schoße der französischen Republik zu bleiben. Und sie haben daran recht getan“, konnte der Regierungschef bei seiner Ansprache in Noumea, der Hauptstadt der französischen Pazifikkolonie Neu–Kaledonien, einer begeisterten Menge zurufen. 20.000 Kolonie–Franzosen der nur 150.000 Einwohner zählenden Insel waren gekommen, um mit dem Pariser Patron den Wahlerfolg über die kanakischen Ureinwohner bei der Volksabstimmung am vergangenen Sonntag zu bejubeln. 59 Prozent der Neu–Kaledonier hatten am Sonntag an der Abstimmung über die Unabhängigkeit der Insel teilgenommen und sich zu über 99 Prozent für den Verbleib unter französischer Souveränität ausgesprochen, während die kanakische Befreiungsfront FLNKS zum Wahlboykott aufgerufen hatte. Dieses Ergebnis bedeutete zwar keinen Einbruch der französischen Loyalisten in das Wählerpotential der FLNKS, markierte jedoch eine unerwartet hohe Mobilisierung der Frankreich–treuen Wähler. Für die Pariser Rechtsregierung war das Grund genug, in Begeisterungsstürme auszubrechen. Sofort kündigte Chirac seine Reise nach Noumea an und versprach, nunmehr auf schnellstem Wege das künftige Statut der Insel zu definieren. Die Grundprinzipien dieses Statuts verkündete Chirac bereits gestern in Noumea. Chirac will „die Autonomie der Insel stärken“, betont aber gleichzeitig, daß sich Paris „die Macht des Schiedsrichters“ beibehalten werde. Die weitere Ankündigung des Premierministers, die bestehende Aufteilung der Regionen auf der Insel erneut zu ändern, ist eine direkte Kriegserklärung an die FLNKS. Die FLNKS hatte 1985 den Weg in die Parlamente gewählt, als eine von den Sozialisten in Paris verordnete Wahlkreisordnung den Kanaken Mehrheiten in vier von fünf Regionalparlamenten ermöglichte. Nach den Plänen Chiracs ist ein Ende aller parlamentarischen Betätigung der FLNKS absehbar. Ihr Führer Tjibaou kündigte an, daß eine Beteiligung der FLNKS an Institutionen, die aufgrund eines neuen Statuts der Insel entstehen, undenkbar ist. Doch Jacques Chirac brauchen solche Äußerungen, die eine Radikalisierug der Unabhängigkeitsbewegung und erneute Gewaltausbrüche von Seiten der Frankreich–Treuen vorhersehbar erscheinen lassen, derzeit wenig stören. Der Premierminister hat einen unbestreitbaren Sieg eingefahren, wenn auch nicht bezüglich einer Klärung der Lage in Neukaledonien. Sein Erfolg zählt vielmehr im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf. Die beiden schärfsten Konkurrenten des Premierministers, sowohl Mitterrand wie auch der ehemalige Premierminister Barre, hatten aus Ein Wahlsieg in Noumea ist aller Popularität kolonialistischer Erfolge zum Trotz noch kein Wahlsieg in Paris.