: Barschel bekennt sich unschuldig
■ Der (Noch–) Ministerpräsident streitet alle Vorwürfe gegen ihn ab / Aktuelle Barschel–Stunde in Bonn
Von J. Feldner/B.M.Mülder
Kiel/Bonn (taz) - Mit einer Salve von acht eidesstattlichen Erklärungen hat Schleswig–Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU) gestern zur Gegenoffensive gegen die Beschuldigungen seines ehemaligen Medienreferenten Reiner Pfeiffer geblasen. Das Landgericht Kiel untersagte am Freitag auf Antrag von Barschel, daß Pfeiffer seine Behauptungen gegen diesen wiederholt. Am selben Tag durchsuchte die Staaatsanwaltschaft das Versteck von Pfeiffer gegenüber dem Spiegel–Gebäude in Hamburg, ohne Pfeiffer selbst anzutreffen. Auch die betroffene Detektei Harry Piel wurde durchsucht. In Kiel unterstrich Barschel die „höhere Qualität“ seiner eidesstattlichen Erklärungen. Sie werden dem Gericht übergeben und sind damit strafrechtlich relevant. Pfeiffers dagegen seien nur vor einem Notar abgegeben und damit „wertlos“, meinte Barschel. Bei Flurgesprächen im kleinen Kreis hatte Barschel noch gestern morgen gesagt, neben allem anderen habe er auch schon mal an Rücktritt gedacht, vor den Mikrophonen wollte er davon allerdings nichts mehr wissen. Pfeiffer habe an keiner Lagebesprechung teilgenommen, und die Sekretärinnen seien auch nie rausgeschickt worden, wenn Pfeiffer reinkam. Nach diesen Antworten auf ungestellte Fragen kam Barschel doch noch zum Kern: Er habe niemanden beauftragt - keinen Pfeiffer und keine Detektive -, Engholms Sexualleben bespitzeln zu lassen. Er habe auch keinen Auftrag gegeben, Engholm wegen Steuerhinterziehung anonym oder namentlich zu denunzieren. Fortsetzung auf Seite 2 Ein von Barschel mit der Hand geschriebener Zettel über die Einkünfte des Oppositionschefs habe entweder der Vorbereitung einer Landtagsdebatte gedient oder für eine Besprechung über Änderung des Abgeordnetengesetzes. Schließlich habe er von Pfeiffer auch nie verlangt, ein Abhörgerät zu beschaffen, er wisse gar nicht, wie so etwas aussieht. Am fraglichen 8. September habe es nachweislich keinen einzigen Augenblick gegeben, wo er - Barschel - ohne Zeugen mit Pfeiffer hätte telefonieren können. Das ganze wird untermauert mit fünf eidesstattlichen Erklärungen vorn Barschel selbst und von seiner Frau. Regierungsdirektor Herwig Ahrendsen, stellvertretender - und seit Barschels Unfall auch der tatsächliche - Regierungssprecher, will beeiden, daß weder er noch Barschel Pfeiffer aufgefor dert hätten, die rechtslastige Unabhängige Wählergemeinschaft Schleswig–Holstein zu zersetzen - was Pfeiffer mit Erfolg getan hat. Vorerst hat die Affaire ein Opfer gefordert: Regierungssprecher Gerd Behnke im Range eines Staatssekretärs blieb „wegen eines auswärtigen Termins“ der gestrigen Pressekonferenz fern. Behnke ist auch der einzige unter den Männern aus der Machtzentrale, der von Pfeiffer der Mitwisserschaft oder Beihilfe beschuldigt wurde und dennoch bis gestern keine eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. Zu den Erklärungen Barschels äußerte der schleswig–holsteinische SPD–Chef Engholm, die in dem anonymen Brief an die Staatsanwaltschaft gemachten Anschuldigungen zu angeblicher Steuerhinterziehung seien so detailiert, daß sie nur auf Grundlage amtlicher Unterlagen zustande gekommen sein könnten. Er, Engholm, sei gegen Neuwahlen in Schleswig–Holstein, doch wenn die FDP keine andere Koalition wolle, blieben Neuwahlen mittelfristig die einzige Möglichkeit. Die Bonner Koalitionpolitiker haben sich während einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde im Bundestag am Freitag zu der Affaire geäußert. Dabei warfen sie der „Kampfpresse“ Spiegel erneut den Zeitpunkt der Barschel–Enthüllung vor. Der medienpolitische Sprecher der CDU, Dieter Weirich, monierte die „massive Vorverurteilung“ Barschels, der Spiegel habe eine „Manipulationsbrandfackel“ in die Wahllokale geschleudert. Der CDU–Politiker Olderog meinte sogar, das Hamburger Magazin habe das Ergebnis der Landtagswahlen gezielt verfälscht. Die Chefredaktion des Spiegel wies inzwischen die Darstellung Barschels zurück.
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