: Dorfrichter Adam?
■ Weitere Rücktrittsgründe für Barschel
Der Waterkantskandal bleibt eine Affaire Barschel, trotz aller Versuche, ihn zur Spiegelaffaire umzudefinieren. Der Spiegel hätte sein Wächteramt gründlich mißverstanden, wenn er die Enthüllungen des Zeugen Pfeiffer nicht gebracht oder wenn er den Namen Barschels versucht hätte rauszuhalten. Denn es stand fest und wird bis heute nicht bestritten, daß Engholms Privatleben im Vorwahlkampf bespitzelt wurde, und daß seine privaten Steuerdaten Barschel unter Verletzung des Steuergeheimnisses bekannt geworden waren. Kein geringerer als ein Regierungsdirektor aus der näheren Umgebung des Regierungschefs hatte ihn und sich als Täter bezichtigt. Nicht bekannt konnte dem Spiegel sein, wie Pfeiffer in das Amt, das den Steuerzahler weit über 100.000 Mark im Jahr kostet, gelangte. Und der Spiegel konnte selbstverständlich die Landtagswahlen nicht verschieben, für die die Enthüllungen Pfeiffers von Bedeutung waren. Barschel selbst trägt also die Verantwortung dafür, daß die Landesregierung die ihr seit längerem bekannten Fakten verschwiegen hatte. Er muß auch verantworten, daß die Ermittlungen der Straftaten zum Nachteile Engholms bis heute nur mit angezogener Handbremse geführt wurden. Die Strafanzeige Engholms ist zwei Wochen alt, bis heute sind weder die Privaträume Barschels und Behnkes noch die Staatskanzlei oder das Finanzministerium durchsucht worden. Nein, die Gästewohnung des Spiegel wurde gefilzt. Der Justizminister des Landes - oberster Dienstherr der Staatsanwaltschaft - verkündet auf der Pressekonferenz zur Entlastung seines Chefs Nachteiliges aus dem Vorleben Pfeiffers. Bis zum Beweis des Gegenteils darf man getrost unterstellen, daß er sich dazu der Ermittlungsakten bediente. Ermittlungen nicht zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten, sondern zur Entlastung des angeschlagenen Barschel? Ein Dorfrichter Adam? Schon deshalb muß er weg. Jony Eisenberg
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